Exkurs in die Hadithwissenschaft
Exkurs in die Hadithwissenschaft
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Übersetzt von Mariam A. 1. Was ist ein Hadith? „Hadith” (حديث) bedeutet wortwörtlich „Erzählung” oder „Bericht”. In der schiitischen Fachsprache/Terminologie ist ein „Hadith” eine Erzählung eines Ma’sum und ebenfalls eine Erzählung, die ein Gespräch, eine Handlung, oder „Taqrir” (dazu gleich mehr) eines Ma’sum beschreibt. Wenn sich ein Ma’sum von einer Handlung oder einer Sache fernhält, dann gilt dieses Fernhalten auch als „Handlung”. Taqrir eines Ma’sum: Wenn ein Anhänger eines Ma’sum eine Handlung in der Gegenwart des Ma’sum vollzieht, und der besagte Ma’sum verbot ihm nicht, diese Handlung zu vollziehen, so nennt man dies „Taqrir” des Ma’sum und es ist eine verbindliche Autorität (mit einigen Bedingungen natürlich). Wenn ein Hadith nicht auf einen Ma’sum zurückreicht, dann gilt er nicht als „Hadith” nach der schiitischen Sichtweise. Nach der sunnitischen Sichtweise gilt eine Erzählung des Propheten (ص) und seiner Gefährten und Schüler dieser Gefährten als „Hadith”. Ahadith (احاديث) ist der Plural von Hadith. 1.1 Einige Definitionen Ein Hadith (حديث) wird auch als „Khabar” (خبر), also Neuigkeit, und als „Athar” (اثر), also Spur oder Fährte, bezeichnet. Viele Begriffe werden im Folgenden verwendet, sodass es wichtig ist, diese erst einmal zu klären. Zunächst eine volle Überlieferung mit dessen Übersetzung:
حماد بن سلمة عن محمد بن اسحاق عن عمروبن شعيب عن ابيه عن جده قال قلت يا رسول الله اكتب كل ما اسمع منك قال نعم قلت في الرضا و الغضب قال نعم فاني لا اقول في ذلك الا الحق
Hammad bin Salmah überliefert von Muhammad bin Ishaq, der von Amr bin Shuaib, der von seinem Vater, der wiederum von seinem Vater überliefert, dass er sagte: „Ich sagte: ‘O Gesandter Allah’s, soll ich alles aufschreiben, was ich von dir höre?’ Der Prophet (ص) sagte: ‘Ja’. Ich sagte: ‘In deiner Freude und deinem Unmut? (d.h.: Soll ich alles aufschreiben, egal in welchem Zustand du es sagtest?).’ Der Prophet sagte: ‘Ja! Denn ich sage, egal in welchem Zustand, immer die Wahrheit.’” Der erste Teil des Hadith enthält die Namen der Überlieferer, die die Überlieferung jeweilig voneinander hörten. Diese Überlieferungskette wird als „Sanad” (سند) bezeichnet, der Plural davon ist „Asnad” (اسناد). Der zweite Teil ist der eigentliche Anfang der Überlieferung, beginnend von „Ich sagte: ‘O Gesandter Allah’s!” bis zum Ende des Hadith. Dies wird als „Matn” (متن), d.h. als Text, bezeichnet. Der Überlieferer wird als „Rawi” (راوئ) bezeichnet, der Plural ist „Ruwat” (رواة). Die Qualität eines Hadith hängt sehr von der Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit seiner „Ruwat” ab, wie später näher erklärt wird. „Sanad” und „Matn” werden zusammen als „Hadith” bezeichnet. 2. Hadith: Eine verbindliche Autorität Der „Hadith” eines Ma’sum ist eine verbindliche Autorität (حجّة) der Religion, und wenn jemand am Tage des Gerichts erfolgreich sein will, muss er den Hadithen folgen. So sagt Allah zum Beispiel im Qur’an:يا ايها الذين امنوا اطيعوالله و اطيعوالرسول و اولي الامرمنكم
“O ihr, die ihr glaubt, gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und denen, die unter euch Befehlsgewalt besitzen.” [4:59] In diesem Vers macht Allah (swt) es verpflichtend für die Gläubigen, dem heiligen Propheten (ص) und jenen, die die Befehlsgewalt beherrschen, d.h. die 12 Imame (ع), zu gehorchen. Es ist nicht notwendig zu betonen, dass niemand dem heiligen Propheten (ص) und seinen Imamen (ع) folgen kann, wenn er nicht weiß, was der heilige Prophet (ع) und seine Imame (ع) gesagt oder getan haben. Daher sollte man sich mit ihren Reden und Handlungen befassen und ihnen gedenken, um ihnen zu folgen. Und dies bringt uns zu den Ahadith. 2.1. Die Bedeutung des Gehorsams und des Folgens Einem Ma’sum zu folgen bedeutet, dieselben Handlungen zu verrichten, wie er sie verrichtet hat, und zwar mit derselben Absicht. Dabei sollte daran erinnert werden, dass die Ahadith der 12 Imame (ع) und Fatima az-Zahraa’ die Ahadith des heiligen Propheten (ص) selbst sind. Die Imame (ع) selbst haben dies viele Male sehr deutlich gemacht. Zum Beispiel sagte Imam Baqir (ع): „Wenn ich dir einige Ahadith ohne „Sanad” (Überlieferungskette, سند) erzähle, dann ist mein „Sanad” (سند) von meinem Vater, der sie von seinen Vorvätern (Imam Hussein (ع) und Amir al-Mu’minin (ع)) überliefert, die es vom heiligen Propheten (ص) überliefern, der sie wiederum von Gabriel (ع) hörte, und der von Allah (swt) informiert/benachrichtigt wurde.” Für eine Person, die keinen Ma’sum gesehen hat, oder nicht direkt etwas von ihm gehört hat, führt der einzige Weg, die Religion zu kennen, durch die Ahadith des heiligen Propheten (ص), der 12 Imame (ع) und Fatima az-Zahraa’ (ع). Doch es ist notwendig, dass der Hadith allen entsprechenden Prüfungen unterzogen werden muss, um als authentisch betrachtet werden zu können. Im Folgenden werden einige Details über die Arten von Ahadith genannt und erläutert. 3. Die Ruwat (Überlieferer) Die Stärke eines Hadith hängt sehr stark von seinen Ruwat ab. Einige wichtige Fähigkeiten des Rawi’s sind im folgenden benannt: Der Rawi eines Hadith muss „Baligh” (islamisch reif) sein, vernünftig, „Aadil” (gerecht) und mit gutem Erinnerungsvermögen. Er sollte ebenfalls nach den Regeln der Shia Ithna Ashari ein Shia Ithna Ashari sein, obwohl die Ahadith, die von Nicht-Ithna-Ashari-Muslimen überliefert wurden, in einigen Fällen akzeptiert werden. Als „Aadil” wird eine Person bezeichnet, die keine große Sünde begeht, auch wenn ungewollt, und wenn er kleine Sünden begeht (nicht absichtlich), bereut er sie umgehend. Nur auf einen Mensch, der Aadil ist, kann man sich verlassen. Wenn er nicht Aadil ist, könnte er Ahadith erfinden und die Menschen irreführen. Ein gutes Erinnerungsvermögen ist für einen Rawi notwendig, damit er vertrauenswürdig ist, sonst könnte er etwas vergessen und so einzelne Formulierungen verändern, hinzufügen oder weglassen etc. Es ist nicht notwendig, dass ein Rawi ein gelehrter Alim sein muss. 4. Die Kategorien der Ahadith entsprechend der Ruwat Allama Hilli (r.) und jene Ulama, die nach ihm kamen, teilten die Ahadith in 4 Kategorien entsprechend der Qualifikationen und Fähigkeiten der Ruwat ein: • Sahih صحيح (wahr, authentisch): ist ein Hadith, wenn all seine Ruwat der Shia Ithna Ashari angehören, und gelobt wurden für ihre „Vertrauenswürdigkeit”. Zum Beispiel werden folgende Formulierungen für sie verwendet: انه ثقة (Er ist vertrauenswürdig); انه صحيح الحديث (Seine Ahadith sind wahr) und weitere Formulierungen, die ihre Vertrauenswürdigkeit aufzeigen. • Hasan حسن (schön, gut): ist ein Hadith, der sowohl inhaltlich als auch mit Hinblick auf seine Überlieferer allgemeine Akzeptanz haben und somit normativen Charakter in der Anwendung, allerdings entweder keine Bestätigung findet oder einen anderen Schwachpunkt aufweist. Die Überlieferer gehören der Shia Ithna Ashari an, werden aber nicht alle für ihre Vertrauenswürdigkeit gelobt, sondern werden mit folgenden Formulierungen beschrieben: انه مستحسن (Er wird geschätzt, ist tugendhaft); انه حافظ (Er hat ein gutes Erinnerungsvermögen). • Muwaththaq مُوَثَّق (sicher): ist ein Hadith, dessen Überlieferer nicht alle der Shia Ithna Ashari angehören, wobei sie jedoch alle für ihre Vertrauenswürdigkeit gelobt werden. • Dha’if ضعيف (schwach): ist ein Hadith, der weder Sahih, Hasan, noch Muwaththaq ist. Überlieferungen der ersten drei Kategorien werden als authentisch betrachtet. „Dha’if” hat überhaupt keinen Wert, außer wenn er von allen Ulama’ der früheren Zeit akzeptiert wird; in diesem Fall gehört er zur Kategorie „Maqbul” مقبول (annehmbar, akzeptabel), d.h. sie wurden von früheren Gelehrten angenommen. Wie bereits ausgeführt, besteht ein Hadith aus dem „Sanad” (der Überlieferungskette) und dem „Matn” (dem Text). Wenn ein Hadith als „Dha’if” (schwach) betrachtet wird, bedeutet dies, dass der entsprechende „Sanad” schwach ist. Derselbe Inhalt kann aber woanders mit einer Überlieferungskette überliefert worden sein, die „Sahih”, „Hasan”, oder „Muwaththaq” ist. 5. „Mutawatir” und „Wahid” In Bezug auf die Anzahl der Asnad werden die Ahadith in zwei Kategorien eingeteilt: 1. Mutawatir (متواتر): bedeutet, dass ein Hadith von so vielen Menschen überliefert wurde, dass die Anzahl der Überlieferer genügt, um von der Wahrheit der besagten Überlieferung überzeugt zu sein. Vier Bedingungen sind dabei notwendig, damit ein Hadith Mutawatir ist: a) Es müssen in allen Stufen der Überlieferungen so viele Menschen sein, dass man nicht davon ausgehen kann, dass sie sich zusammenschlossen, um eine Lüge zu fabrizieren. Wenn die Anzahl beispielsweise am Anfang und Ende groß ist, aber in der Mitte klein, so wird solch ein Hadith nicht als Mutawatir betrachtet. b) Die vermittelten Informationen sollten über Dinge sein, die man mit den fünf Sinnen (Sehen, Hören, Schmecken, Fühlen und Riechen) aufnehmen kann. c) Die Hörer/Zuhörer sollten kein vorausgehendes Wissen über diese Angelegenheit haben. d) Die Hörer/Zuhörer sollten weder vorausgehenden Zweifel über die Information haben, noch eine vorgefasste Meinung, die entgegen dieser Information ist. Wenn ein Hadith Mutawatir ist, ist es nicht notwendig, auf seine Ruwat und Asnad zu schauen. „Mutawatir” besteht aus zwei Arten: a) Mutawatir in Worten: ist ein Hadith, der von allen Überlieferern im selben Wortlaut überliefert wurde. Zum Beispiel der folgende Hadith:من كنت مولاه فعلي مولاه
(Wessen Führer ich bin, dessen Führer ist auch Ali), und ebenfalls der Hadith:من كذب عليّ متعمدا فليتبوّء مقعده من النار
(Wer eine Lüge über mich erzählt, sollte sich darauf vorbereiten, dass sein Wohnsitz das Feuer der Hölle ist). b) Mutawatir im Sinngehalt: Wenn die Überlieferer verschiedene Formulierungen benutzen, es jedoch einen gemeinsamen Umstand/Faktor gibt in allen Überlieferungen, dann wird dieser gemeinsame Umstand/Faktor als „Mutawatir im Sinngehalt” bezeichnet. Zum Beispiel angenommen, dass jemand sagt, dass Ali ibn Abi Talib (ع) 35 Feinde in der Schlacht von Badr getötet hat. Ein anderer sagt, dass er die Festung von Khaibar erobert hat. Ein Dritter sagt, dass er standhaft blieb in der Schlacht von Uhud, während andere davon flohen, und so weiter. Nun haben all diese Überlieferungen einen gemeinsamen Faktor – nämlich dass Ali ibn Abi Talib (ع) außergewöhnlich mutig war. Jede dieser Begebenheiten könnte nicht Mutawatir sein, doch der Mut von Ali (ع) ist „Mutawatir”. 2. „Wahid” (خبر واحد): Jeder Hadith, dessen Überlieferer nicht so viele an der Zahl sind, um ihn zum Mutawatir zu machen, wird als „Wahid” bezeichnet. Ein „Wahid-Hadith” ist verbunden mit einem Kontext oder einem Anhaltspunkt (قرينة), welches sicheres Wissen über die Wahrheit vermittelt, sodass es dann verpflichtend ist, ihn anzunehmen und ihm zu folgen wie dem „Mutawatir-Hadith”. Einige Beispiele in Bezug auf den Kontext: a) Wenn der Hadith im Einklang mit logischen Argumenten ist b) Wenn er mit dem klaren Inhalt des Qur’ans übereinstimmt c) Wenn er im Einklang mit dem einstimmigen Glauben der Muslime ist d) Wenn er im Einklang mit dem einstimmigen Glauben der Shia ist Wenn ein Hadith, der „Wahid” ist, mit einem der genannten Kontexte verbunden ist, muss er akzeptiert und befolgt werden. Wenn er nicht mit solch einer Qarina (قرينة), d.h. mit solch einem Kontext verbunden ist, dann ist es gemäß vieler Gelehrten erlaubt, ihn zu befolgen, sofern er nicht gegen die Grundsätze der Religion verstößt. 6. Die Niederschrift der Ahadith Der heilige Prophet (ص) selbst forderte die Muslime auf, alles niederzuschreiben, was sie auch immer von ihm hörten. Amir al-Mu’minin Ali ibn Abi Talib (ع) und seine Nachfolger haben immer die Wichtigkeit und Wesentlichkeit der Niederschrift der Ahadith betont. Viele Gefährten des Propheten (ص), wie Abdullah bin Abbas, Salman Farsi, Abu Dhar, Bilal und Abu Rafe schrieben die Aussprüche des Propheten (ص) nieder. Gleichermaßen schrieben viele ihrer Schüler, wie Mitham Tammar, Ali bin Abu Rafe, Rabia bin Sumay, Asbagh bin Nubata, Ubaidullah bin Al-Hur und Sulaim bin Qais Hilali die Überlieferungen nieder, die sie von Amir al-Mu’minin (ع) oder anderen vertrauenswürdigen Gefährten hörten. Leider sind fast alle dieser Bücher verloren gegangen mit Ausnahme des Buches von Sulaim bin Qais Hilali. Aus der Zeit der Imame (ع) nach Ali ibn Ali Talib (ع) finden wir Tausende von bekannten Gefährten der Imame (ع), die die Ahadith, die sie von ihnen gehört haben, gesammelt haben. Einige dieser Gefährten werden so hoch angesehen, dass die schiitischen Gelehrten darin übereinstimmen, dass wenn ein Hadith von einem von ihnen überliefert wurde, dieser als authentisch zu betrachten ist. Sie werden in drei Gruppen eingeteilt: 1. Gruppe: Sechs Gefährten von Imam Muhammad Baqir (ع) und Imam Ja’far as-Sadiq (ع). Diese sind: • Zurara bin Aayun • Maruf bin Kharabbudh • Buraid bin Muawiya Bijilli • Abu Basir Asadi • Fudhail bin Yasar • Muhammad bin Muslim Thaquafi Hinweis: Einige Leute zählen Abu Basir Muradi an Stelle von Abu Basir Asadi dazu. 2. Gruppe: Sechs Gefährten von Imam Ja’far as-Sadiq (ع). Diese sind: • Jamil bin Darraj • Abdullah bin Maskan • Andullah bin Bakir • Hammad bin Uthman • Hammad bin Isa • Aban bin Uthman Ahmar 3. Gruppe: Sechs Gefährten von Imam Musa al-Kadhim (ع) und Imam Ali al-Ridha (ع). Diese sind: • Yunus bin Abdur Rahman Yaqteeni • Safwan bin Yahya • Abdullah bin Mughira • Muhammad bin Abi Umair Azdi • Hasan bin Mahbub • Ahmad bin Muhammad bin Abu Nasr Hinweis: Einige Leute zählen Hasan ibn Ali bin Fadhal an Stelle von Hasan bin Mahbub dazu. Andere fügen den Namen von Fadhala bin Ayyub oder Uthman bin Isa in diese Liste ein. Einige andere bekannte Namen sind: Abu Hamza Thumali, Aban bin Taghlib, Jabir bin Yazid Jofi, Muhammad bin Qais, Hesham bin Hakam, Hesham bin Salim, Abdullah bin Yahya Kahili, Ali bin Riab Kufi, Mansur bin Hazim, Ali bin Yaqteen bin Musa, Abdullah bin Mughaira Bijilli, Muawiya bin Hukaim, Zakaria bin Adam, Ismail bin Mehran, Abdur Rahman bin Abi Najran, Husain bin Said bin Hammad, Ali bin Mahzyar Ahwazi, Fadhl bin Shadhan, Abu Jaffar Ahmad bin Muhammad bin Isa, Ayyub bin Nuh bin Darraj, Ali bin Imam Jafar Sadiq (ع) und Ahmad bin Ishaq Qummi. Dies waren einige der hoch angesehenen Gefährten der Imame (ع), die Überlieferungen gesammelt haben und sie in viele andere Bücher, die in ihren biographischen Notizen erwähnt werden, niedergeschrieben haben. Kurz gesagt: Von der Zeit Amir al-Mu’minins (ع) bis zu der Zeit von Imam Hassan al-Askari (ع) haben die Gefährten der Imame (ع) mehr als 6600 Bücher geschrieben, die meisten von ihnen beinhalten die Ahadith des heiligen Propheten (ص) und der Imame (ع). 7. Die Arten der Bücher Die Niederschrift von Büchern in jenen Tagen war nicht so, wie es heute der Fall ist. Die Hadith-Bücher wurden in einer der folgenden Arten niedergeschrieben: • Manchmal schrieben einige Leute lange Überlieferungen über ein Thema nieder. Früher wurden meistens Bücher (eher: Hefte) geschrieben. • Andere sammelten die Ahadith über ein Thema in einem Buch. Zu Zeiten der Imame (ع) wurden tausende solcher Bücher geschrieben. Die Sammlungen sind in der Regel bekannt als Kitab-us-Salat (Buch über das Gebet), Kitab-ul-Hajj (Buch über die Pilgerfahrt), etc. • Einige Leute sammelten Ahadith über verschiedene Themen in einem Band. Solche Sammlungen werden als „Nawadir” (نوادر) bezeichnet. • Viele Gefährten schrieben Überlieferungen nieder über das, was auch immer sie von den Imamen (ع) hörten, ohne Unterschied zwischen den Themen und ohne die Einteilung in Kapitel. Solche Sammlungen werden als „Asl” (اصل) bezeichnet (Plural: Usul = Grundlagen). 400 solcher „Usul” waren unter den Schiiten zum Zeitpunkt des Todes von Imam Hassan al-Askari (ع) verbreitet. • Spätere Gelehrten sammelten und ordneten die Ahadith themenweise und in Kapitel etc. Die 400 Bücher, die als „Usul” bezeichnet werden, sind die weit verbreitetsten. Sie waren die Grundlage aller Grundsätze, Überzeugungen und Gesetze des Glaubens der Shia Ithna ‘Ashari. Da es damals keine Druckerpresse gab, war es nicht einfach, diese 400 Usul überall zu finden. Auch die Verfolgung der Schiiten machte die Eigentümer außerordentlich vorsichtig. Sie gaben ihre Kopien nicht weiter, außer denen, die völlig vertrauenswürdig waren. Darüber hinaus enthält keines dieser 400 Bücher alle Ahadith in Bezug auf alle Aspekte der Religion. Sie waren nicht eingeteilt in Themen etc. Deshalb war es sehr schwierig für jemanden, der sich auf ein Thema beziehen wollte, einen entsprechenden Hadith zu finden. Aufgrund der Verfolgung bestand zudem die Gefahr, dass diese Schätze der Religion für immer verloren gehen könnten, auch deshalb, weil es zu dieser Zeit nicht einfach war, 400 Bücher zu erhalten und zu bewahren. 8. Die vier Bücher Die schiitischen Gelehrten waren nach dem Tod von Imam Hassan al-Askari (ع) der Meinung, dass wenn alle Ahadith in diesen 400 „Usul” in einem Buch gesammelt und themenweise in Teile, Kapitel und Unterkapitel eingeteilt werden würden, dies einen großen Bedarf in dieser Zeit decken und die Sicherheit dieses ungeheuren Schatz des Wissens gewährleisten würde, da es viel leichter wäre, ein Buch statt 400 Bücher zu transportieren usw. Es war keine leichte Aufgabe. Das Sammeln aller Usul von nah und fern war an sich ein harter Kampf. Dann die Bearbeitung und Ordnung war ebenfalls eine mühsame Arbeit. Alle Augen waren auf Thiqat-ul-Islam Abu Ja’far Muhammad bin Yaqub al-Kulaini Ar-Razi gerichtet. Als der Druck wuchs, nahm er die Verantwortung auf sich. Nach 20 Jahren kontinuierlicher Anstrengung entstand das „Kafi”. Dieses Buch alleine beinhaltet mehr Ahadith als die sechs authentischen Bücher (Sihah as-Sitta) der Sunniten zusammen. Einige andere Gelehrte sammelten ebenfalls die Ahadith von anderen Büchern und Usul. Bekannte unter ihnen sind: Abu Jafar Muhammad bin Ali (bin Husain bin Musa bin Babwayh Qummi), bekannt als Shaikh Saduq (gestorben 381 n.H.), der „Man La Yahdhuruhul Faqih” geschrieben hat. Abu Jafar Muhammad bin Hasan bin Ali at-Tusi, bekannt als Shaikhut-Taifa und Shaikh Tusi (geboren 385 n.H.; gestorben 466 n.H.), der „Tahzib-ul-Ahkaam” und „Al-Istibsar” geschrieben hat. Diese zwei Bücher eröffneten den Weg der kritischen Untersuchung der Ahadith, und damit den Grundstein des „Ijtihad”. Alle drei Autoren dieser vier Bücher heißen Muhammad und hatten als Kunya den Namen Abu Ja’far. Im Jahre 448 n.H. griffen die Sunniten von Baghdad die Schiiten an und ließen die Bibliothek und das Haus von Shaikh Tusi niederbrennen. Er ging mit seinen Schülern nach Najaf und gründete die religiöse Universität. Sein Grab liegt in Najaf. Viele andere Ahadih-Sammlungen wurden in dieser Zeit geschrieben, doch nur diese vier Bücher wurden bekannt und waren beliebt. Wenn ein Hadith in einem dieser oben genannten Bücher erwähnt wird, heißt das nicht, dass dieser automatisch authentisch ist. Wenn gleichermaßen ein Hadith in anderen Sammlungen gefunden wird, die von vertrauenswürdigen Gelehrten erstellt wurden, und dieser Hadith alle Bedingungen der Authenzität erfüllt, wird er als „authentisch” angenommen, auch wenn er nicht in den oben genannten Büchern gefunden wurde. 9. Die drei darauf folgenden Bücher In späterer Zeit wurden die folgenden Ahadith-Sammlungen sehr bekannt: • Allama Majlisi (Muhammad Baqir bin Muhammad Taqi) schrieb Bihar-ul-Anwar, welches 26 volle Bände umfasst (starb 1101 n.H). • Mulla Mohsin Faiz (Muhammad bin Murtaza bin Mahmud) schrieb „Wafi” (starb 1091 n.H). • Allama Muhammad bin Hasan al-Hur schrieb „Wasael-ush-Shia” (starb 1104 n.H) • Allama Husain Nuri schrieb „Mustadrak-ul Wasael” im Jahre 1319 n.H (starb 1320 n.H). 10. Erfundene Überlieferungen „Maudhu’” (موضوع) bedeutet wörtlich „gefälscht”. In der Islamischen Fachsprache/Terminologie wird dieser Begriff für die sogenannten „Ahadith” verwendet, die von keinem Ma’sum stammen, jedoch von jemandem gefälscht worden sind und einem Ma’sum zugeschrieben wurden. Es ist Haram und strengstens verboten, einen Maudhu’-Hadith zu überliefern, außer wenn er zunächst nur als „gefälscht” angegeben wurde. Es ist eine sehr schmerzhafte Tragik, dass in der frühen islamischen Periode eine gute Anzahl von Gefährten des Heiligen Propheten (ص) und viele seiner Schüler Ahadith zwecks materieller Vorteile oder aus Gründen sektiererischer Polemik erfunden haben. Es ist nicht möglich, alle Einzelheiten dieser Tragik hier zu benennen. Ich werde einige Gründe aufzählen, die jene skrupellosen Personen dazu trieben, über den Heiligen Propheten (ص) und die Imame (ع) zu lügen: • Einige Menschen erfanden Ahadith, um das Wohlgefallen der Könige und Herrscher zu erlangen. • Andere erfanden Ahadith ganz spontan, um sie in ihre Reden einzubringen, sodass ihnen ihre Beliebtheit weltlichen Nutzen bringt. • Viele scheinbar „fromme” Menschen erfanden Ahadith, um die Zuhörerschaft zu ermahnen, gute Taten zu verrichten. Solche Ahadith können zumeist beim Thema der Enthaltung von weltlichen Angelegenheiten und bei Reden gefunden werden. • Viele Menschen erfanden Ahadith, um ihre eigene religiöse Ansicht zu stützen. Beispielsweise erfand Zanadiqa (زنادقة) mindestens 12.000 Ahadith, die dem Heiligen Propheten (ص) zugeschrieben wurden. Ein Charidschite sagte folgendes, nachdem er sich reuevoll von seinem vorherigen Glauben abwandte: „Seid vorsichtig, wenn ihr Ahadith hört, denn wir erfanden für gewöhnlich einen Hadith, wann immer wir eine Ansicht bestätigen wollten.” • Mu’awiya und seine Nachfolger in der Bani Umayya begannen, übermäßig viele Ahadith zu erfinden, um die ersten 3 Kalifen zu loben und Ali und seine Familie (ع) zu verurteilen. Die islamische Geschichte lässt erkennen, dass diese Menschen, die „Aussprüche des Propheten” gemäß den Wünschen ihrer Herrscher erfanden, sehr zu Beginn der Bani Umayya dazu angeregt wurden. Ihnen wurden ansehnliche Geschenke gemacht und große monatliche Zuschüsse erstattet, und so waren sie ungemein wohlhabend. Und jene, die es wagten, jedweden wahren „Ausspruch” des Propheten (ص) zu erwähnen, welcher entgegen dem Bestreben und den Wünschen der Herrscher war, wurden dieser (materiellen) Hilfe beraubt, und ihre Namen wurden von den Listen des Bait-ul-Mal (die islamische Gemeinwohlkasse, die allen Muslimen gemeinsam gehört; mehr dazu: http://eslam.de/begr…inwohlkasse.htm) gestrichen. Die Aussagen jener Person wurden als „falsch” deklariert und abgelehnt. (Ihtijaj von Tabarsi) Ein Beispiel für diese sogenannten „Ahadith” könnten jene sein, die den früheren Propheten (ع) und dem Heiligen Propheten des Islam (ص) Sünden zugesprochen haben. Die meisten dieser Könige und Herrscher, die nach sunnitischem Glauben als „Kalifen” betrachtet werden, waren (insbesondere von den Umayyaden – und später von den Abbasiden) von sehr niedrigem moralischen Niveau und sogar sozial benachteiligter als das allgemeine Volk. Unter diesen Umständen war es ihnen ein Leichtes, ihre Haut durch verschiedene Gebühren zu retten, indem sie Geschichten und Ahadith erfanden, um zu zeigen, dass selbst der Heilige Prophet nicht frei von Sünden war; und deshalb gab es keinen Schaden, wenn diese Kalifen unterschiedlicher Sünden und Verbrechen schuldig waren. Solche Überlieferungen wurden von einigen „Gefährten” des Heiligen Propheten (ص) wie Abu Huraira und seinesgleichen erfunden. Hierbei ist interessant zu erwähnen, dass Abu Huraira den Islam am Ende des 7. Jahres der Hidschra annahm und sich beim Heiligen Propheten (ص) nur ca. 3 Jahre aufhielt. Und er behauptete, in dieser kurzen Zeit viele Dinge vom Heiligen Propheten (ص) gehört zu haben, welche bei weitem die Anzahl der Ahadith übertrafen, die in den Sunni-Büchern von den 4 Kalifen (Abu Bakr, ‘Umar, ‘Uthman, ‘Ali), Fatima, allen Frauen des Heiligen Propheten (ص) [einschließlich 'Aischa] und Hassan und Hussein (ع) überliefert wurden. Die Überlieferer haben festgestellt, dass es 5.374 Ahadith gibt, die von Abu Huraira überliefert wurden. Zum Vergleich: In den sunnitischen Büchern finden wir 142 Ahadith, die von Abu Bakr überliefert wurden, 573 von ‘Umar, 146 von ‘Uthman und 586 Ahadith von ‘Ali (ع) [ergibt eine Anzahl von 1.411 Ahadith]. Und dabei ist anzumerken, dass diese 4 Kalifen insgesamt 86 Jahre beim Heiligen Propheten (ص) verbrachten. Umso tragischer, dass Abu Huraira nicht alleine ist. Es gibt unzählige seinesgleichen; deren „Ahadith” haben Platz in allen Sunni-Büchern gefunden, weil sie Gefährten des Heiligen Propheten (ص) waren. Es sind solche Ahadith, die den Feinden des Islam als Waffen dienen; die sie benutzen, um Zweifel am Charakter, an der Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit des Heiligen Propheten (ص) zu schüren. 10.1 Die Prüfung der Überlieferungen Ahadith wurden von Sunniten und Schiiten gleichermaßen in verschiedenen Büchern gesammelt. Doch all diese Bücher sind eine Sammlung jeder Art von Überlieferung. Es muss klar sein, dass es im Islam niemals ein System der Kanonisation (Heiligsprechung) dieser Bücher gab. Die Verfälschung der Ahadith wurde bald zu einer allgemeinen „Krankheit”. Doch es konnten dann Hilfsmittel entwickelt werden, um die Authentizität der Überlieferungen zu prüfen. Den ersten Prüfschritt lieferte uns der Heilige Prophet (ص) selbst. Er ordnete die Muslime an, jede Überlieferung auf Grundlage des Qur’an zu prüfen. Jedes Wort des Propheten (ص) beruhte auf der Offenbarung, auf den Qur’an. Und Wahrheit von derselben Wissensquelle kann sich nicht unterschieden. Daher wurde eine Überlieferung, die nicht gegen den Qur’an war, als authentisch betrachtet; wenn sie andererseits gegen den Qur’an war, so wies uns der Prophet (ص) an, sie sogleich als Fälschung abzulehnen. Der zweite Prüfschritt liegt darin, den Charakter und die Lebensumstände der jeweiligen Überlieferer zu überprüfen, angefangen bei der Person, die den Ausspruch direkt vom Propheten (ص) hörte bis hin zur letzten Person in der Überliefererkette. Wenn die Kette unterbrochen ist oder ein bzw. mehrere Glieder der Kette schwach oder unzuverlässig sind, hat die Überlieferung ihren Wert verloren. Das Gebiet, das sich detailliert mit den Überlieferern beschäftigt, wird als „’Ilm al-Rijal” bezeichnet (Wissen über die Männer). Es ist eine sachliche Kritik an jeder Person im Bereich der Überlieferung. Da es unmittelbar den Wert einer Überlieferung aufzeigt, ist dieses Gebiet eines der wichtigsten in der islamischen Glaubenslehre. Der dritte Prüfschritt umfasst die „Diraya” (دراية): Wörtlich bedeutet es „Wissen”/„Kenntnis”. In der islamischen Fachsprache/Terminologie versteht man darunter die Überprüfung eines Hadith mit „bekannten” Faktoren. Wenn beispielsweise eine Überlieferung, die dem Heiligen Propheten (ص) zugeschrieben wird, ein Wort beinhaltet, welches nicht zu seinen Lebzeiten gebraucht wurde, dann ist dies ein Beweis dafür, dass diese Überlieferung gefälscht wurde. Oder wenn ein Rawi’ (Überlieferer) ein Ereignis erwähnt, das er nicht selbst gesehen hat und den Namen seiner „Quelle” nicht angibt, so ist dies ein Beweis für dessen Fälschung. Dies sind die drei wichtigsten Prüfschritte, wenn man die authentische Überlieferung aus den massenhaften Sammlungen in den Hadith-Büchern heraus sieben möchte. Quellen: Übersetzter Auszug aus dem englischen Buch “Quran and Hadith” von Sayyed Saeed Akhtar Rizvi ****** Quelle: http://www.alhadith.de/allgemein/exkurs-in-die-hadith-wissenschaft/