Die Erziehung eines vollkommenen Menschen im Islam

  Unter den Wirkenden und Denkenden und sogar in den unterschiedlichsten Religionen und Schulen gibt es niemanden, der die Werte und Bedeutung des schönsten und fähigsten Wesens der Schöpfung, des Menschen, leugnet. Auch wenn es Geschichten und Erzählungen über die hohen Werte von Gerechtigkeit, Würde, Liebe und Tapferkeit gibt, so ist dies alles nur darauf zurückzuführen, das Gott, Der Allbarmherzige, diese Eigenschaften und Fähigkeiten dem Menschen bzw. seinem Dasein geschenkt hat.   Grundsätzlich könnten die Werte des Menschen nicht vorhanden sein, wenn man seine Eigenschafen und Fähigkeiten, die bei jedem Menschen vorhanden sind, nicht einsetzt oder sogar ignoriert. Es kann dann keinen Unterschied geben zwischen Gut und Böse, Schön und Hässlich, Recht und Unrecht. Jeder muss darum bemüht sein, die uns allen innewohnenden Eigenschaften und Fähigkeiten zu beachten und im positiven Sinne zu bearbeiten, um sein Wesen zu vervollkommnen und somit zu einer schöneren und besseren Welt beizutragen.   Die ernsthafteste Frage, die wir uns stellen müssen, ist, welche Methode der Islam zur Vervollkommnung des Menschen anwendet. Um die Antwort auf diese Frage zu erhalten, ist es von großer Wichtigkeit, nur auf nachgewiesene islamische Quellen zurückzugreifen, von denen die wertvollsten der Koran und die Lebensführung der Ahl-ul-Bayt, der Familie des Propheten Muhammad, sind. Nach dieser kurzen Auflistung der Quellen möchte ich verdeutlichen, dass die Erziehung des ausgereiften Menschen nur durch die Einhaltung der folgenden drei Grundsätze ermöglicht werden kann:  

  1. Die Verbesserung der Lebensart und die Suche eines aus islamischer Sicht geeigneten Ziels sind als erste und wichtigste Bedingungen für eine Vervollkommnung zu erfüllen. Sich ein falsches Ziel zu setzen, würde bedeuten, in Furcht und Unruhe zu verweilen, anstatt sich in Ruhe und Sicherheit ständig zu verbessern. Aus diesem Grund muss man besonders achtsam bei seiner Erziehung vorgehen und darf kein anderes Ziel außer Gott, Dem Allmächtigen, Seine Zufriedenstellung und Seine Nähe vor Augen haben. Aber am Anfang von allem steht die Niyya, die Absicht. Sie sollte rein und aufrichtig sein und aus dem tiefsten Innern kommen.
 
  1. Die Stärkung der Vernunft und des Willens ist die zweite Bedingung auf dem Weg zur Vervollkommnung. Es muss dabei beachtet werden, dass beide gleichermaßen ausgeprägt sein müssen, da sie sich sonst negativ oder unfruchtbar auswirken können. Dieses Ziel kann man dann erreichen, wenn die Fähigkeiten der Vernunft in ihrem Bereich und die Fähigkeiten des Willens in seinem Bereich aktiviert werden. Ziel ist es, durch seine Vernunft eine im islamischen Sinne gute Entscheidung zu treffen und kraft seines Willens diesen Entschluss beizubehalten. Man darf dabei aber nicht die vernünftigen und erlaubten Wünsche unterdrücken.
  Zu diesem Thema sagte Imam Ali:   "Jemanden, dessen Vernunft stehen bleibt und ermüdet, ergreift das Unwissen."[Ghurar al-Hikam]   In einer anderen Überlieferung sagte der Imam:   "Die Vernunft ist des Menschen Führer zur Wahrheit." [Ghurar al-Hikam]   Imam Ali sagte weiter:   "Kein Gläubiger wird gläubig, es sei denn, er ist vernünftig."   Von Imam al-Kadhim wird berichtet, dass er sagte:   "Jeder, der reich sein möchte, ohne Besitz am Reichtum zu erlangen, sich ein ruhiges Herz wünscht fernab von Neid und sich eine gesunde, heile Religion ersehnt, soll sich von Gott, Dem Allerhöchsten und Erhabenen, wünschen, dass Er seine Vernunft vervollkommnet, denn ohne eine vollkommene Vernunft ist ein vollkommenes Leben nicht möglich."[Usul al-Kafi]   Und im Bezug auf die Stärkung des Willens sagte Imam al-Kadhim:   "Gütigkeit setzt voraus, den falschen Wünschen des Egos zu widerstehen."   Von Imam al-Hassan wird überliefert:   "O ihr Menschen, wisst ihr, welcher mir der liebste Bruder ist? Jemand, der vom Einfluss seines Magens befreit ist, sodass er nicht nach dem giert, was er nicht findet, und nicht mit dem übertreibt, was er findet; und der vom Einfluss seiner Lust befreit ist, sodass sie seinen Verstand und seine Einsicht nicht beeinträchtigt; und der vom Einfluss seiner Unwissenheit befreit ist, sodass er seine Hand nach nichts anderem ausstreckt als nach einer religiösen Autorität, um von ihr zu lernen." Bihar al-Anwar