Was bedeutet die Offenbarung? (Teil 2)

  Das Verständnis der Offenbarung hängt vom Prophetentum ab. Deshalb gehen wir im folgenden kurz auf den Begriff “Prophetentum” ein.   Das Prophetentum besteht aus drei Teilen. Die Offenbarung ist eins davon. Zum besseren Verstehen der Offenbarung kann eine Gliederung des Begriffs “Prophetentum” dienen:  

  1. Der Offenbarer (al-Muḥīy = Allah):
  Gott ist der Offenbarer und Sender der Botschaft. Die Propheten gelten als Verkünder der Botschaft Gottes und haben keinen Einfluss auf die Inhalte der offenbarten Botschaft. Im Koran lesen wir:   “Ihre Gesandten sagten zu ihnen: „Wir sind (allerdings) nur Menschen wie ihr. Aber Gott erweist Gnade, wen von seinen Dienern er will. Und wir dürfen euch keinen Beweis bringen, außer mit Gottes Erlaubnis. Auf Gott sollen die Gläubigen (immer) vertrauen.”27   “Und wir haben keinen Gesandten (zu irgendeinem Volk) geschickt, außer(mit einer Verkündigung) in der Sprache seines Volkes,damit er ihnen Klarheit gibt. Gott führt nun irre, wen Er will, und leitet recht, wen Er will. Er ist der Mächtige und Weise.“28   Die Offenbarung ist auch kein Ergebnis der eigenen Bemühungen der Propheten: “Er sagte: „Ich bin der Diener Gottes. Er hat mir die Schrift gegeben und mich zu einem Propheten gemacht.”29   “Sag:Ich bin nur ein Mensch (bašar) wie ihr, (einer) dem (als Offenbarung) eingegeben wird, dass euer Gott ein einziger Gott ist. Wer nun damit rechnet, (amTag des Gerichts) seinem Herrn zu begegnen, soll rechtschaffen handeln und, wenn er seinem Herrn dient, ihm niemand beigesellen.“30   Weiter lesen wir im Koran: “Und es steht keinem Menschen (bašar) an, dass Gott mit ihm spricht, es sei denn (mittelbar) durch Eingebung (von Offenbarung- waḥyan), oder hinter einem Vorhang, oder indem er einen Boten sendet, der ihm dann mit seiner Erlaubnis eingibt, was er will. Er ist erhaben und weise.”31   Im Laufe der Geschichte wurden Propheten von Gott auserwählt zur Verkündung seines Wortes. Gott sagt:   “Wir haben dir (Offenbarungen) eingegeben (ebenso) wie (früher) dem Noah und den Propheten nach ihm: Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen (Israels), Jesus, Hiob, Jonas,Aaron und Salomo. Und dem David haben wir einen Psalter (zabur) gegeben.“32   Das zeigt, dass die Botschaft aller Propheten eine Linie darstellt. Die Botschaft des Islams richtet sich an die ganze Menschheit. Alle Propheten, von Adam über Abraham, Moses, Jesus bis hin zu Muhammad sind Propheten auf der gleichen Linie. In Wirklichkeit ist der Kern der drei himmlischen Religionen derselbe.  
  1. Der Empfänger der Botschaft:
  Der Empfänger ist der unfehlbare Prophet, der mit der Verkündung der Botschaft beauftragt wird. Die Unfehlbarkeit der Propheten ist für die Verkündung der Botschaft Gottes notwendig, damit die authentische Überlieferung gewährleistet wird. In Sure al-Nagm,Verse 3 – 5, lesen wir:   “Und er spricht nicht aus (persönlicher) Neigung”. “Es ist nichts anderes als eine inspirierte Offenbarung”. “Gelehrt hat (es) ihn einer, der über große Kräfte verfügt.”   Das Wissen, das durch die Offenbarung erlangt wird, ist unmittelbar von Gott eingegeben. Dadurch kann eine Fehlinterpretation ausgeschlossen werden. Im Gegensatz zum Wissen, das durch Studium angeeignet wird. Beim Beispiel Jesus bezeichnet Gott ihn als “Wort Gottes”. Er ist nicht nur Verkünder des Wortes. Er ist selber das Wort. Während des Empfangs der Offenbarung erfolgt eine Identifikation mit dem Wort. Das erklärt auch,weshalb der Prophet Mohammad den Koran vollständig verkünden konnte, obwohl er weder lesen noch schreiben konnte und gibt somit der Unfehlbarkeit des Propheten eine vernünftige Erklärung.   “Sag: Ich sage nicht zu euch, dass ich über die Vorräte verfüge, die Gott (in seinem Reichtum allein) besitzt, oder dass ich das Verborgene weiß.Auch nicht, dass ich ein Engel bin. Ich folge nur dem, was mir (als Offenbarung) eingegeben wird. Sag: Ist (etwa) der Blinde dem Sehenden gleich (zusetzen)? Denkt ihr denn nicht nach?”33   “Sag: Wenn Gott gewollt hätte, hätte ich ihn euch nicht verlesen, und er hätte euch nicht davon Kenntnis gegeben. Ich habe doch ein Leben (lang) unter euch verweilt, noch ehe er da war (erst nachträglich, durch einen besonderen Willensakt Gottes, bin ich zumPropheten berufen worden.) Habt ihr denn keinen Verstand?”34  
  1. Die Offenbarung:
  Die Offenbarung ist das Wort Gottes. Die Harmonie, Widerspruchsfreiheit und Einheit des Korantextes bestätigen seinen göttlichen Ursprung. Dies ist rein Gottes Wort; und der argumentativste Beweis dafür, dass das Wort Gottes eine Offenbarung ist, ist die herrschende Einheit über den ganzen Koran, vom Anfang bis zum Ende. Das Prinzip “von Einem geht nur Eins aus” ist ebenso ein Hinweis darauf. Diesbezüglich sagt der Koran:   “Denken sie denn nicht sorgfältig über den Koran nach? Wenn er von jemand anderem wäre als von Allah, würden sie in ihm wahrlich viel Widerspruch finden.”35   Die vorhandenen Widersprüche und Verschiedenheiten unter erwähnten Auffassungen in den himmlischen Büchern deuten darauf, dass diese himmlischen Bücher zumindest im Verdacht der Verzerrung stehen. Der Inhalt des Begriffs “al-wahyy“ im Christentum, hängt ebenso von der Vorstellung, die man über den Empfänger der Offenbarung hat, ab. Je verschwommener das Bild über den Empfänger (Prophet) ist, desto undeutlicher wird die Offenbarung. Aus der christlichen Literatur können wir entnehmen, dass der Empfänger, nämlich Jesus, das Wort Gottes verkörpert, als würde Gott die menschliche Gestalt annehmen. Laut der christlichen Lehre ist jeder Mensch wesentlich ungehorsam geboren, und dies ist aufgrund der Sünde des Adam, deren Befreiung ein Lösegeld benötigt, damit Menschen rein und entwicklungsfähig werden.36   Nun überprüfen wir, ob die einheitsbildende Inhärenz mit Gott von Jesus persönlich stammt:
  1. Hacks sagt in seinem Buch “Lexikon des heiligen Buches”37:“Jesus bezeichnet sich selbst in mehr als 80 Stellen in der Bibel als Menschensohn, und Bruder der Menschen. Er ist ein Mensch wie all die anderen, mit dem Unterschied, dass er die Offenbarung erhält. Jesus hatte nie daran gezweifelt, dass Gott ihn mit der Verkündung seines Wortes beauftragt hatte, damit er die Leute den geraden Weg leitet. Er bestätigte die zuvor vorhandene Thora der Juden und ergänzte sie. Deshalb sagte er: ‘Glaubt gar nicht, dass ich berufen wurde, um die Thora oder die alten Schriften zu widerlegen, ich bin da, um sie zu vervollständigen, nicht um sie aufzuheben.’ “38
  Es gibt in der Bibel konkrete Aussagen, bei denen Jesus selber erklärt, dass er ein Diener Gottes ist und dass er auserwählt und zum Prophetentum berufen wurde.39 Zu Beginn der Verkündung der christlichen Religion haben die Apostel Jesus als jüdischen Propheten vorgestellt.40 Seine Gefährten haben ihn als Nachfolger von Yahya (Johannes) bezeichnet. Mit der Ankunft von Jesus wurden die damals herrschenden Bräuche in Jerusalem beibehalten.41 Das einzige, was sich geändert hatte, war die Berufung des neuen Propheten, als Nachkomme Davids. Seine Ankunft wurde bereits in den alten Schriften prophezeit. Die Bemühungen der Jünger Christi hatten das Ziel, das Prophetentum von Christus bekannt zu geben. In der Bibel lesen wir: “Jesus und seine Jünger gingen zum Dorf der Kaiserin Philips. Unterwegs fragte er sie: ‘Was glauben die Leute über mich?’ Sie sagten: ‘ Einige glauben, du bist Yahya. Andere glauben, du bist Iliyas, und manche sagen, du bist ein Prophet.’ Dann fragte er sie: ‘Und was glaubt ihr?’. Petrus antwortete: ‘Du bist der Messias.’ “42   Das Phänomen wird in allen Kulturen beobachtet. Zunächst werden Menschen mit besonderen Fähigkeiten (Wissenschaftler, Propheten, Geistige) von der Gesellschaft abgelehnt und hart bekämpft. Danach werden sie anerkannt, und später entsteht ein Kult aus ihnen, und sie werden angebetet. Christi hatte bei mehreren Anlässen geäußert, dass er nur Gottesdiener ist und von Gott zur Verkündung seines Wortes auserwählt worden ist. In Johannes lesen wir: “Jesus sagte zu ihnen: ‘Das was ich euch sage, ist nicht meine geistige Arbeit. Es stammt von Gott, als meinem Auftraggeber. Wenn jemand so lebt, wie Gott es möchte, dann versteht er, dass das, was ich sage, nicht von mir stammen kann.’”43 Jesus betonte stets, dass er nur die Offenbarung bekannt gab.   Einige Zitate von Jesus aus Johannes: „Ich erzähle Euch, was ich von Gott hörte, und ihr wollt mich töten“….Die Leute antworteten: „Wir sind keine Verbrecher. Gott ist unser Vater.“ Christi antwortete ihnen: „Wenn Gott euer Vater wäre, hättet ihr mich lieben müssen, weil ich von Gott geschickt worden bin.“ „Warum könnt ihr meine Wörter nicht verstehen? Weil euer tatsächlicher Vater der Teufel ist.“44   Ist im Christentum nicht die Bibel, sondern vielmehr die Person, die in die Welt gekommenen ist, Jesus von Nazaret, der als Gottes Sohn durch seine Kreuzigung und seine Auferstehung die Menschen aus der Schuld und Sünde befreite, der zentrale Bezugspunkt der christlichen Botschaft? So ist es im Islam nicht. Die Person des Propheten Muhammad, steht nicht im Zentrum der Lehre, sondern das von Gott offenbarte Wort. Also ist der Kern der Streitfrage die Offenbarung.   Offenbarung bedeutet im Islam aber nicht Erlösungsmysterium wie im Christentum, sondern in erster Linie Anweisung zum rechten Tun; der Rechtleitung, wobei das Buch (und die ahl ul bayt bei den Schiiten) im Vordergrund steht. Die Offenbarung Gottes ist im Koran, dem heiligen Buch der Muslime, enthalten. Dieses Buch ist eine zuverlässige Glaubensquelle, da es das authentische Wort Gottes einschließt. Es besitzt überirdischen Ursprung und gilt schon vor seiner Offenbarung als göttliche Urschrift (umm al-kitāb), als eine im Himmel aufgezeichnete “wohlverwahrteTafel“ (lawḥ al-maḥfūẓ). Die Offenbarung ist hier also kein lebendiges Ereignis zwischen Gott und Mensch, kein Geschehen, in das Gott selbst eingeht und dadurch Mensch wird, sondern sie ist ein Buch. Hierin zeigt sich der wohl deutlichste Unterschied zum Christentum.   Der Islam ist eine Buchreligion vom ersten Augenblick an. Die Offenbarung vollzieht sich im Islam nicht als Inkarnation (Menschwerdung eines göttlichen Wesens), sondern als Wort Gottes. Auf der koranischen Grundlage sind Jesus und alle anderen Propheten Menschen wie wir, Geschöpfe Gottes und aufrichtige Diener Gottes, welche an einem Tag geboren werden und an einem anderen Tag sterben.   Der Koran stellt Jesus folgendermaßen dar: „Gewiss, das Gleichnis ʿĪsās ist bei Allah wie das Gleichnis Adams. Er erschuf ihn aus Erde. Hierauf sagte Er zu ihm “Sei” und da war er” [Sure Al-ʿimrān 3/59].   „Als die Engel sagten: ‘O Maria! Allah verkündet dir ein Wort von Sich, dessen Namen al-Masīḥ,ʿĪsā (Jesus) der Sohn Marias, ist’ “ [Sure Al-ʿimrān 3/45].   “Er sagte: ‘Ich bin wahrlich Allahs Diener; Er hat mir die Schrift gegeben und mich zu einem Propheten gemacht’ ” [Sure Maryam 19/30].   „Al- Masīḥ (Christus) wird es nicht verschmähen, ein DienerAllah zu sein” [Sure al-Nisāʾ 4/172]   “Er ist nur ein Diener, dem Wir Gunst erwiesen und den Wir zu einem Beispiel für die Kinder Isrāʾīls gemacht haben”. [Sure al-Zuḫruf 43/59]   ”Und der Friede sei auf mir am Tag, da ich geboren wurde, und am Tag, da ich sterbe, und am Tag da ich wieder zum Leben auferweckt werde.” [Sure Maryam 19/33]   “Und wenn Allah sagt: ‘O ʿĪsā Sohn Maryams, bist du es, der zu den Menschen gesagt hat: Nehmt mich und meine Mutter außer Allah zu Göttern!’, wird er sagen: ‘Preis sei Dir! Es steht mir nicht zu, etwas zu sagen, wozu ich kein Recht habe. Wenn ich es (tatsächlich doch) gesagt hätte, dann wüsstest Du es bestimmt. Du weißt, was in mir vorgeht, aber ich weiß nicht, was in Dir vorgeht. Du bist ja der Allwissende der verborgenen Dinge. Ich habe ihnen nur gesagt, was Du mir befohlen hast: Dient Allah, meinem und eurem Herrn!’ ” [Sure al-Māʾida 5/116-117].   Der Koran sagt an einer anderen Stelle: “Fürwahr, ungläubig sind diejenigen, die sagen: ‘Gewiss, Allah ist al-Masīḥ, der Sohn Maryams’, wo doch al-Masīḥ (selbst) gesagt hat: ‘O Kinder Isrāʾīls, dient Allah, meinem Herrn und eurem Herrn!’ Wer Allah (etwas) beigesellt, dem verbietet fürwahr Allah das Paradies, und dessen Zufluchtsort wird das (Höllen) Feuer sein. Die Ungerechten werden keine Helfer haben”. [Sure al-Māʾida 5/72]   “Und als Jesus der Sohn Maryams sagte: ‘O Kinder Isrāʾīls, gewiss, ich bin Allahs Gesandter an euch, das bestätigend, was von der Thora vor mir (offenbart) war, und einen Gesandten verkündend, der nach mir kommen wird: sein Name ist Ahmad’ “ [Sure al-Ṣaff 61/6]   Diese Wahrheiten stehen nicht nur im Koran, sondern auch in der Bibel. Der Koran beschreibt die Bibel wie folgt: „… und Wir gaben ihm das Evangelium, in dem Rechtleitung und Licht sind” [Sure al-Māʾida 5/46]   Mit dem Koran hat Gott sein Offenbarungswerk abgeschlossen. Der Islam erkennt die biblischen Propheten (Abraham, Moses, Jesus usw.) an, und so bildet Mohammad deren letztes Glied. Er ist das “Siegel der Propheten” (ḫātam al-anbiyā), die Beendigung und Krönung göttlicher Willenskundgebung. Nach ihm kann es deshalb keine neue Religionsschöpfung mehr geben: Der Islam ist der Abschluss der Religionsgeschichte.   Der Islam ist eine Religion des Gesetzes und des Rituals – eine Religion der Observanz und Gehorsams, in deren Mittelpunkt das von Gott begründete und aus dem Koran abgeleitete Gesetz (sharīʿa) steht. “Islam” bedeutet hier Hingabe und Unterwerfung unter das göttliche Gesetz. Dem Islam ist die Weise des reumütigen und bußfertigen Sünders im christlichen Sinne, der den Weg der inneren Umkehr geht, nicht fremd.   In der islamischen Theologie ist von Anfang an das Problem, die Natur des Koran im Verhältnis zur Einheit Gottes zu begreifen. Die Grundidee jener Epoche war, die Lehre des Monotheismus rein und unverfälscht zu erhalten. In späteren Zeiten wurde diese Lehre in der folgenden Art modifiziert:   Gottes Attribute seien von Seinem Wesen untrennbar, hieß es dann. Doch die Grundidee blieb die gleiche: Es sollte die strikte Einheit Gottes sichergestellt werden. Später entstand die Schule der ‚Maḫlūqiyya’‚ so genannt nach maḫlūq’, d.h. “was erschaffen ist”. Ihre Hauptthese war, der Koran sei “ maḫlūq“ (erschaffen). Sonst sei Gott nicht einer, sondern eine Zweiheit! Außerdem entwickelte sich die Schule der “Lafẓīya”, von “lafẓ = Wort”. Diese Lehre suchte den Streit durch die Aussage zu schlichten, der Koran selber sei etwas Erschaffenes, dagegen die Worte (d.h. die Gebote und Befehle) stammten unmittelbar von Gott und seien demzufolge nicht erschaffen.   Die von beiden Seiten dargebotenen Argumente scheinen innerhalb ihres eigenen Bereiches durchaus logisch und berechtigt zu sein. Die Orthodoxen versichern, der Koran sei etwas Ewiges, geschrieben auf Tafeln im Himmel, er gehöre also nicht zu den geschaffenen Dingen, sonst müsse es eine Zeit gegeben haben, in der er gar nicht vorhanden war; also muss Gottes Wort ewig wie Gott sein. Wenn der Koran erschaffen wäre, dann könnten andere geschaffene Dinge auch eine Offenbarung (Gottes) sein; infolgedessen hätten wir kein sicheres Mittel zur Erkenntnis Gottes, da die gesamte Schöpfung endlich und sündhaft ist.   Die andere Gruppe führt aus: Redet man vom Koran als etwas nicht Erschaffenem, dann postuliert man zwei unerschaffene Größen: Das eine ist Gott, das andere der Koran. Und selbst wenn man aussagt, diese zwei seien in Wahrheit Eines, spricht man immer noch von Gott so, als gäbe es in seiner Natur eine Differenzierung. Dadurch verabschiedet man sich von Seiner Einheit und trifft gleiche Aussagen, wie es die Christen tun. Jesus verfügt über besondere Fähigkeiten und verfügte über Wunder. Er selbst war der Meinung, dass dies alles von Gott stammt.   Folgende Fragen werden nach der Relation zwischen Offenbarung und Vernunft erörtert: -Ist die Vernunft vollkommener als die Offenbarung? -Hat sich die Vernunft an der Offenbarung auszurichten oder umgekehrt? -Welche von ihnen gilt als Beweis? -Welche hat Vortritt vor der anderen? -Welche der beiden wird bei der Rechenschaft am Jüngsten Gericht zugrunde gelegt? -Ist die Offenbarung etwas Argumentatives oder Überlieferungsmäßiges oder etwas, was über jeglicher Argumentation steht? -Darf die Offenbarung durch die Vernunft bewertet werden?   Die Erörterung dieser Fragen zeigt eine Divergenz in der Sichtweise zwischen Islam und Christentum. EinTeil der christlichenTheologen plädieren für die passive Teilnahme der Vernunft und beschränken ihre Rolle auf die Wahrnehmung der Glaubensinhalte der Offenbarung und fordern schließlich den totalen Gehorsam. Insbesondere die früheren Theologen waren der Meinung, dass die Offenbarung über der Vernunft steht und diese gar nicht in der Lage sei, die Offenbarung zu thematisieren bzw. zu bewerten.   Andere Theologen sind der Meinung, dass die Offenbarung als lebendiges Ereignis zwischen Gott und Mensch, ein Geschehen ist, in das Gott selbst eingeht und sich entblößt und stellt somit den Beweis dar. Eine Beweisführung durch die Vernunft ist nicht notwendig. Es gilt die Glaubensinhalte zu akzeptieren und entsprechend zu handeln, ohne sie in Frage zu stellen, auch wenn man sie zunächst nicht begreift.   Augustin z.B. gründete seine Philosophie auf den Glauben und nicht das Begreifen. Er betrachtete den Glauben als Ergebnis der göttlichen Gnade und nicht als ein Produkt geistiger Tätigkeit. Aus dieser Idee folgt, dass die Erkenntnis aus dem Glauben resultiert und nicht umgekehrt45   Die gleiche Idee wird im Islam von einigen Gelehrten vertreten. Andere Islamwissenschaftler setzen das Begreifen voraus. Für sie kommt die Handlung nach der vernünftigen Überzeugung und sie begründen es damit, dass man keine Überzeugung annehmen kann, solange man sie nicht versteht. Sie führen weiter das Argument an, dass die Herrschaft der Offenbarung über die Vernunft ohne Verstand nicht vorstellbar sei. Die Offenbarung gilt als kollektiver Verbindungsweg für die großen Religionen zur Verkündung der Botschaft Gottes. Obwohl der Begriff Offenbarung im Judentum, Christentum und Islam mit unterschiedlichen Inhalten verstanden wird, bleibt er jedoch mit dem gleichen Prinzip verknüpft und wird wie folgt zusammengefasst:   Die Botschaft Gottes wird einigen vollkommenen Menschen, z.B. Propheten, in einer Form der Offenbarung vermittelt. Es gibt zwei Möglichkeiten zur Erlangung der Erkenntnis. Einmal über die Sinnesorgane und einmal durch die Vernunft.   Hier stellt sich die Frage: Sind Sinnesorgane und Vernunft ausreichend, um die Wahrheiten in Erfahrung zu bringen? Reichen sie dann für die Errettung des Menschen aus? Sind sie in der Lage, alle Wahrheiten in Erfahrung zu bringen? Gibt es Wahrheiten, die durch die Sinnesorgane und durch die Vernunft nicht erfassbar sind?   Laut Koran und Aḥādīṯ (Überlieferungen) gibt esWahrheiten, die man nicht einfach erreichen kann. Die Vernunft kann zum Beispiel nicht übersinnliche Dinge begreifen. Daher besteht die Notwendigkeit eines dritten Weges, der die Erlangung von weiteren Erkenntnissen möglich macht.   Es ist nichts anderes als die Offenbarung, wobei die Offenbarung die vollkommenste Methode zur Erlangung der vollen Erkenntnis ist, da sie eine Verbindung zwischen Gott und dem vollkommenen Menschen darstellt. Der vollkommene Mensch gewährleistet durch seine Glaubwürdigkeit die Authentizität der Botschaft.   Die Erkenntnis durch die Offenbarung kann jedoch nicht ganz unabhängig von den Sinnesorganen und der Vernunft erfolgen. Sie bringt viele Fragen und Antworten mit sich, die vernünftig und substantiell vermittelt werden müssen. Dies kann unter Umständen zu falschen Interpretationen führen.   Als Beispiel für solche Fragen dient die Frage über die Offenbarung selbst, als die Anhänger der christlichen Religion in ihr eine Enthüllung des Göttlichen sahen, während sie bei den Muslimen eine versteckte Vermittlung der göttlichen Botschaft bedeutet; eine versteckte Vermittlung = Verborgen, steht also im Gegensatz zur christlichen Sicht der “Enthüllung”. Aus der offenbarten Botschaft sind keine konkreten Aussagen über die Wesenheit der Offenbarung vorhanden. Vorhanden sind höchstens Texte, die Eigenschaften und Charaktere der Offenbarung beschreiben. Bekanntlich unterscheidet sich die Offenbarung von Zauberei und Magie, obwohl diese eine übersinnliche Gattung aufzeigen.   Die Propheten als Botschaftsträger waren die vollkommensten und bestgeeigneten Menschen für den Empfang der göttlichen Erkenntnisse. Deshalb wurden sie von Gott auserwählt und mit der Verkündung der Botschaft beauftragt.   Die Unfehlbarkeit der Propheten sorgte für die treue Vermittlung der Glaubensinhalte an die Menschen. Die Vermittlung erfolgte durch Verkündung und Erklärung. Die Verkündung und Erklärung setzen ihrerseits Sonderfähigkeiten, die bei den Propheten vorhanden waren, voraus. Als Entschädigung für ihre Leistung, haben die Propheten keinen Lohn für sich selbst beansprucht, wie die Magier und Zauberer das taten. Bevor die Propheten von den Leuten verlangten, ihre Anweisungen zu befolgen, haben sie diese bei sich selbst angewandt. Deshalb gelten Propheten als nachahmungswürdig für die Gläubigen. Erst nach der eigenen Umsetzung, können Propheten nachgeahmt werden.   Im Christentum gilt die Offenbarung als lebendiges Ereignis zwischen Gott und Mensch, ein Geschehen, in das Gott selbst eingeht und Mensch wird. Also hier ist die Rede von der Einheit zwischen dem Offenbarer, der Offenbarung und dem, was vor ihm offenbart wurde. Die Idee der Verkörperung Gottes in Jesus gab den Menschen den Anlass, Jesus anzubeten. Mit anderen Worten wird der Offenbarer mit dem Empfänger der Botschaft vereinigt.   Im Koran wird Gott wie folgt beschrieben: als Einzigartig, kein Ding ist wie Er46, Er hat keinen Teilhaber neben sich47.   Laut Koran genießt Jesus einen besonderen Rang zwischen den Propheten. Er bleibt aber Prophet und wird nie selbst zu Gott. Eine realistische Vorstellung über die Offenbarung gibt dem göttlichen Wort eine realistische Interpretation und kann vor falschen Auslegungen schützen.     ______________________________
  1. Ibid. 4.
  2. Sure Maryam (19), 30.
  3. Sure al-Kahf (18), 110.
  4. Sure Šūrā (42), 51.
  5. Sure al-Nisāʾ (4), 163.
  6. Sure Anʿām (6), 50.
  7. Sure Yūnus (10), 16.
  8. Sure al-Nisāʾ(4), 82.
  9. Al-Ġulāṭīya, 3/10-13, 24-25; ibid. 4/3-10;
  10. Seite 806
  11. Matta 5/17-19, Luka 16/17
  12. Aʿmāl al-Rusul, 3/13, 26; 17/9; Johannes, 3/1-2; 4/22; 5/36; 14/19; Merges,
  13. 12/29; 10/52; Matta, 21/12, 46.
  14. Aʿmāl al-Rusul, 17/97; Johannes, 5/36;
  15. Tārīḫ-i kilīsā-yi qadīm dar impirātūrī-yi Rum wa Īrān
  16. Luka 9/18-20
  17. Johannes, 11/43; 12/44-50.
  18. Johannes, 8/40-47; 14/24.
  19. Kitāb-i ʿaql wa waḥyy dar qurūn-i wusṭā, faṣl 1.
  20. Vgl. Sure al-Šūrā (42), 11.
  21. Vgl. Sure al-Anʿām (6), 101-102.