Auf dem Weg zum Weltbürger und einer menschlichen Welt
Auf dem Weg zum Weltbürger und einer menschlichen Welt
Author :
Dr. Mohammad Razavi Rad
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Das Thema Globalisierung ist einfach und bedeutsam zugleich; einfach, weil es zu unserer Zeit gehört und bereits viele Meinungen dazu geäußert wurden und bedeutsam, weil das Innere und das Wesen der Globalisierung noch nicht deutlich geworden ist, d. h. es ist noch erklärungsbedürftig. Es ist aber eine Realität, die sich zunehmend beschleunigt und unterschiedliche Gesellschaften beeinflusst. Globalisierung ist ein kompliziertes Rätsel mit vielen unbeantworteten Fragen. Was ist das Wesen der Globalisierung, welches sind ihre historischen Wurzeln, wer hat diese Idee entwickelt, wer unterstützt und wer widersetzt sich ihr, ist sie erzwungen oder freiwillig angenommen, welche Bedeutung haben Kultur, Religion, interkultureller Dialog usw. für die Globalisierung und welche Rolle spielt der Mensch mit seinen Ängsten dabei? Das sind einige Fragen, mit denen ich mich bei der Erläuterung der Globalisierung ungeachtet deren Vor- und Nachteile befassen werde. Solange die Bedeutung der Globalisierung unklar ist, kann man ihr nicht entsprechend begegnen, denn wir können nicht gleichgültig bleiben, da sie uns unwillkürlich betreffen wird. Was bedeutet Globalisierung? Es scheint, dass dieser Begriff nicht eindeutig definiert werden kann, sondern dass er vielmehr verschiedene Aspekte in sich vereint, angefangen von Wirtschaft über Kultur, Wissenschaft, Politik bis zur Ethik. Wirtschaftswissenschaftler sehen die Globalisierung als ein wirtschaftliches Phänomen, das mit der Zeit eine globale Wirtschaft schafft, und dieses wirtschaftliche Ereignis wird wie eine Welle auf Kultur, Politik usw. übergehen. Daraus folgt, dass neue Werte traditionelle Werte ersetzen und eine neue Werteordnung entsteht. Dem Soziologen White zufolge wird die Globalisierung ohne territoriale Veränderungen mithilfe elektronischer Mittel weltweit alle Menschen erreichen, und die Souveränität im klassischen Sinne wird bedeutungslos werden, wie Castells in seinem Buch "Das Zeitalter der Kommunikation" beschreibt. Die Idee der Globalisierung ist die Schaffung eines "Stadtstaates", in dem alle Menschen Bürger sind, gleich wo sie leben. D h. das Zusammenleben der Menschen ist der Hauptgedanke der Globalisierung, wenngleich nicht eindeutig geklärt ist, welche Ordnung oder Tradition dieses Zusammenleben prägen soll. Zum einen gibt es die Meinung, dass keine bestimmte Kultur dominant sein wird, sondern viele Kulturen die kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und kommunikationstechnologischen Aspekte des sozialen Phänomens Globalisierung weiterentwickeln werden. Für Cetrovic und Kellner steht die globale Wirtschaft im Vordergrund, die rasch einen globalen Markt und in dessen Folge globale politische Organisationen bewirkt. Für Robertson hingegen ist die Entwicklung der Welt von einem Zustand in sich zu einem Zustand für sich dominant. Es gibt also eine Vielfalt von Meinungen zur Globalisierung, die dieses Phänomen letztlich nicht eindeutig erklären können. Es gilt folglich, aus der zukünftigen Entwicklung der Globalisierung dieses Phänomen zu verstehen. Ursprung der Globalisierung Die Menschheitsgeschichte zeigt, dass der Mensch immer auf der Suche nach einer humaneren Welt war, und der Gedanke von der globalen Welt ist wie die Idee des Individualismus so alt wie die Geschichte des Denkens. Beide, die globalistische wie auch die individualistische Idee haben jeweils eigene Absichten, Ziele und Argumente, mit denen ich mich nun auseinandersetzen möchte. Für Giddens fängt die Globalisierung mit der Modernität an und diese wiederum mit der Entdeckung Amerikas. Andere definieren die Globalisierung als eine Periode der Moderne - allen Meinungen ist jedoch gemeinsam, dass der Gedanke der Globalisierung in der Geschichte des Menschen tief verwurzelt ist. Baron Turgot, Minister unter Ludwig XVI., hat die Sprache und das Schreiben als zwei Möglichkeiten zur Weitergabe der Kultur von einer Generation zur nächsten beschrieben. Auf die gleiche Weise wird sämtliches Wissen der Menschheit von Generation zu Generation weitergegeben. Der daraus resultierende gemeinsame Schatz der Menschheit beruht auf Erfahrungsaustausch und diese Entwicklung begleitet den Menschen in seinem ganzen Leben. Einer anderen Ansicht zufolge beginnt die Globalisierung mit dem Niedergang der Sowjetunion und dem gleichzeitigen Gedanken von einer neuen Weltordnung, mit dem die Republikaner eine wirtschaftliche und militärische Dominanz verbanden. In diesem Zusammenhang wurden u.a. von einem "Weltdorf", einer neuen Weltordnung (Wallerstein) und einem "Zusammenrücken der Welt" (Robertson) gesprochen. Tatsächlich scheint der Gedanke der Globalisierung viel älter zu sein als der Begriff selbst, der Anfang der 1980er Jahre populär wurde. Diese Idee ist in den großen Religionen ebenso zu finden wie in der Renaissance und der kulturellen und industriellen Revolution des 18. und 19. Jahrhunderts. Wer steht hinter der Idee der Globalisierung? Für die Menschen stellt sich heute die Frage, welche Theoretiker und Akteure die Globalisierung lenken, was hinter der Bühne geschieht, wer Vorteile daraus zieht und wer Nachteile davon hat und wo diese Geschichte enden wird? Eine tiefe Kenntnis von der Globalisierung verhindert, dass man einen speziellen Akteur oder eine einzelne Gesellschaft als bestimmend identifizieren kann. Vielmehr ist die Globalisierung als Entwicklung des menschlichen Bewusstseins in unserer Zeit, d. h. als Ergebnis der technologischen Revolution zu sehen. Deshalb haben die technologisch fortgeschrittenen Industrieländer mehr Vorteile von der Globalisierung und können ihre Interessen besser in diesen Prozess einbringen. Befürworter und Gegner der Globalisierung Wie jedes Phänomen hat auch die Globalisierung Gegner und Befürworter, und einige Meinungen aus beiden Gruppen möchte ich hier wiedergeben. Giddens beschreibt in seinem Buch über die Ergebnisse der Modernität die Akzeptanz der Globalisierung als ein bewusstes Engagement zur Beantwortung der Frage nach der Lebensweise. Seiner Meinung nach kann man in einer Welt, die zusammengerückt ist und somit die Abstände überwunden hat, vor dem Fernsehapparat sitzen und wie der in seinem Film "Der große Diktator" mit einem Luftballon spielende Charlie Chaplin mit der Weltkugel spielen. Anderen Meinungen zufolge ist die Globalisierung das Produkt der technologischen Revolution und wird die Weltwirtschaft amerikanisieren, oder sie ist nichts anderes als die Ideologisierung der Verbreitung der politischen Macht des internationalen Kapitalismus unter der Führung der USA, in deren Folge die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Grenzen beseitigt und der multinationale Kapitalismus die Bodenschätze und damit die Märkte unter seine Kontrolle bringt und damit seine politische und militärische Macht stabilisiert. In diesem Sinne verlangt die Globalisierung also die Akzeptanz der Dominanz der westlichen Kultur. Daher das Bemühen, die kulturelle, politische, ethische Kultur des Westens und insbesondere der USA zu verbreiten. Viele Denker beschäftigen sich aber auch mit den negativen Folgen, die die Globalisierung für viele Entwicklungsländer, Ostblockländer und Länder der Dritten Welt und sogar einige europäische Länder mit sich bringt, deren Wirtschaft von der Politik der multinationalen Industrie zerstört wird und deren politische Ordnung von der Kultur der Globalisierung beeinflusst wird. Solche Folgen verhindern, dass die Globalisierung von den Massen nicht unterstützt wird, und folglich die Diplomatie und militärische Macht an Bedeutung gewinnt. So wird aus dem Projekt "Globalisierung" ein erzwungenes Projekt, das viele Probleme mit sich bringt, was dem eigentlichen Wesen der Globalisierung widerspricht. Die Achtung der einheimischen Identitäten und Religionen im Globalisierungsprozess erfordert viel Toleranz, Geduld und eine allmähliche Entwicklung statt einer raschen und aufgezwungenen Veränderung. Damit die menschliche Zivilisation zu ihrer globalen Reife gelangen kann, muss dieser Globalisierungsprozess auf kulturellem Pluralismus basieren, denn dann stellt er keine Gefahr für andere Kulturen und Identitäten dar, sondern vielmehr eine Herausforderung zur Fortschritt und Entwicklung. Im Unterschied zu jenen, die in diesem Zusammenhang von Kulturimperialismus sprechen, sagt Robertson, dass die Welt von diesem Pluralismus profitiert und einem Dialog der Kulturen förderlich ist. Globalisierung: Zwang oder Wahl? Jeder reflektierende Mensch sollte nicht außer Acht lassen, dass wir nicht mit einer neuen Idee oder einem sich allmählich entwickelnden Konzept konfrontiert sind, sondern dass wir uns einer fortschreitenden Bewegung gegenübersehen, die wir nicht ignorieren können. Sie betrifft uns, gleich ob wir das wollen oder nicht. Sie drängt in jeden Bereich unseres Lebens und macht sich bemerkbar. Ich vergleiche den Globalisierungsprozess mit einer Welle, die nur jene heil überstehen, die schwimmen können - alle anderen werden Opfer dieser Wellen werden und ihre Identität verlieren. Aus diesem Grunde ist es notwendig, sich mit diesem Phänomen zu beschäftigen und mit der nationalen und religiösen Kultur eine vernünftige Antwort darauf zu finden. Wichtig ist hierbei auch, dass die Globalisierung der Theorie von einer Konfrontation der Kulturen entgegensteht, denn sie steht nicht für einen kulturellen Kampf sondern vielmehr für eine supranationale Kultur, die nicht die Beseitigung anderer Kulturen verlangt sondern diese in sich vereint. Die Rolle des kulturellen Dialogs im Globalisierungsprozess Der Dialog ist von der menschlichen Identität nicht zu trennen, denn er begleitet und beeinflusst den Menschen, solange er existiert. Deshalb betonen große Denker den Dialog, und auch in der Bibel lesen wir, dass am Anfang das Wort war, und das Wort war Gott. Für Sokrates resultiert der Dialog aus der Erkenntnis des Menschen, dass er nicht weiß, und weil unsere Unwissenheit keine Grenzen kennt, brauchen wir den Gedankenaustausch. Aus diesem Bewusstsein der Unwissenheit resultieren Fortschritt, Entwicklung und Schöpferkraft in allen existentiellen Bereichen. In mehr als 300 Versen betont der Qur'an die Notwendigkeit des gemeinsamen Nachdenkens, und dies verdeutlicht, dass ein Gedanke allein der Wahrheit eines Phänomens nicht gerecht werden kann. Moulawi betont, dass man die Diskussion entweder unterlassen soll, oder aber die Freiheit gewahrt werden soll, alles sagen zu können, so das die Wahrheit auf der Grundlage von Vernunft und Nachdenken offenbar wird. Für Popper besteht der erfolgreichste Schritt zu einer besseren und friedlicheren Welt darin, die Schwerter durch Argumente zu ersetzen. Wenn wir die Ideen Kants akzeptieren, wonach der Mensch Vernunft und Triebe in sich vereint, dann müssen wir davon ausgehen, dass auch der heutige Mensch von diesen beiden Aspekten beherrscht wird. Jederzeit ist es möglich, dass einer von beiden die Oberhand gewinnt und das Verhalten des Menschen bestimmt. Man kann froh sein, dass die Menschen heute Dialog miteinander führen, es gilt jedoch wachsam zu sein, dass dieser Dialog im Rahmen von Technologie und Modernität nicht wie ein Schwert genutzt wird. Der Dialog ist in unserer Epoche ein zweischneidiges Schwert, das den Menschen aufklären, aber auch in einem Zustand geistiger Stagnation belassen kann. Dialog im Sinne von Aufklärung ist nützlich, denn er beseitigt gegenseitige Vorurteile und lässt die Menschen erkennen, dass ihre Wünsche und Ziele gleich sind. Der persische Dichter Sa'ebe Tabrisi betont, dass der Dialog zwischen Glaube und Unglaube zu einem Ziel führt, denn es gibt nur einen Traum, der jedoch unterschiedlich interpretiert wird. Hier möchte ich eine Frage aufwerfen, die ernsthaft untersucht werden sollte: Ist die Verbindung zwischen der Globalisierung und einer einheitlichen Gemeinschaft, von der der Qur'an spricht, und der philosophischen Theorie von der Einheit des Seins und dem idealen Staat Farabis deutlich oder nicht? Wurzelt die Globalisierung nicht in der Natur des Menschen, so dass wir diese genauer erforschen sollten? Robertson ist von einer bestimmten Art des Dialogs überzeugt. Er unterteilt den Dialog der Kulturen und sagt, dass manche Kulturen unerreichbar sind und ein Dialog mit ihnen unmöglich ist. Andere Kulturen hingegen beeinflussen andere oder werden von anderen beeinflusst, wie z. B. der Dialog zwischen dem Westen und der Dritten Welt verdeutlicht. Robertson ist von Kulturen beeindruckt, die zwar ihre Identität bewahren, aber dennoch die Bereitschaft aufweisen, sich der Zeit anzupassen und mit anderen Kulturen auszutauschen. Auch für Thomas Hobbes beruht eine friedliche Existenz auf Dialog. Seiner Meinung nach wollen alle Menschen den Schutz einer friedlichen Existenz und deshalb ist der Dialog zur Feststellung der gemeinsamen Interessen unumgänglich. Was geschieht aber mit jenen, die einem Gedankenaustausch abgeneigt sind, aber bereit sind, für ihre Einstellung zu sterben? Nach Popper kann man einen Dialog nicht immer als erfolgreich bezeichnen, auch wenn er Einigkeit impliziert. Vielmehr verlangt die Uneinigkeit von den Dialogpartnern eine intensivere und tiefgründigere Auseinandersetzung mit dem Dialogthema, was ein besseres Resultat zustande bringen wird. Sicherlich können unterschiedliche Meinungen im Rahmen dieses Artikels nicht ausführlich diskutiert werden. Zusammenfassend möchte ich aber festhalten, dass der Erfolg der Globalisierung vom Dialog abhängt. Alle objektiven Denker der verschiedenen Kulturen sollen die Vor- und Nachteile der Globalisierung diskutieren, ihre Gedanken austauschen und zu einem Ergebnis gelangen, das sie den Menschen mitteilen sollen, da ansonsten die Globalisierung keinen leichten Stand haben und sich unterschiedlichen Problemen gegenübersehen wird. Das Schicksal der Religiosität im Globalisierungsprozess Auch in diesem Zusammenhang gibt es unterschiedliche Thesen. Die Wirtschaftswissenschaftler sind der Meinung, dass die Globalisierung ein wirtschaftliches Phänomen ist, das die kulturellen und politischen Meinungen und Einstellungen der Menschen eint und letztlich zu einer neuen kulturellen und politischen Einstellung der Menschen führt. Einer anderen These zufolge wird zwar die Wirtschaftskultur globalisiert aber nicht zu einer Annäherung der verschiedenen Religionen führen, d. h. die Welt wird zwar eine global einheitliche Wirtschaftsstruktur haben, die politische und kulturelle Vielfalt jedoch erhalten bleiben. Huntington z. B. sieht die westlichen Werte und die Kultur der Freiheit von fundamentalistischen Kulturen bedroht. Deshalb ist es wichtig, die kulturelle Identität dieser Länder genauer zu untersuchen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Religion und religiöse Kultur die Menschheit seit jeher begleitet haben und als eine starke Institution für die Menschen bedeutungsvoll ist. Heute können wir sogar in säkularen Gesellschaften beobachten dass die Religion eine große Rolle spielt und das Verhalten der Menschen bestimmt. Sowohl religiöse wie auch nichtreligiöse Menschen sollten jedoch bedenken, dass das Wesen der Religion absolut und heilig ist, dass der religiöse Mensch sich am Jenseits orientiert, aber mit dem Diesseits zurechtkommen muss. Er ist abhängig von Ort und Zeit und ebenso wie sich sein Körper verändert, ändert sich auch seine Einstellung. Deshalb erscheint eine relativistische Gestaltung seines Lebens vernünftig. Das Problem des religiösen Menschen als einem relativen Wesen liegt genau in dieser Verbindung mit der absoluten und heiligen Religion. Die Akzeptanz Veränderbarkeit der rationalen Einstellung des Menschen impliziert die Veränderlichkeit seines Bewusstseins und seiner Kenntnis. Auch sein religiöses Leben, das sich in Form von religiösen Gesetzen manifestiert, ist davon nicht ausgenommen. Es spricht alles dafür, dass das menschliche Wissen relativ ist und folglich der Relativismus eine Wahrheit in seinem Leben ist. Das unverfälschte Wesen der Religion mit dem relativen Wissen des Menschen zusammenzubringen ist ein Fehler, der oft gemacht wurde und noch immer gemacht wird und viele Probleme verursacht. Das bedeutet nicht, dass der Mensch einer in westlichen Ländern vorherrschenden Meinungen zufolge niemals in der Lage ist, die absolute Wahrheit der Religion zu erkennen, sondern vielmehr, dass es nicht unmöglich ist, sich mittels spiritueller Methoden mit dem absoluten Wesen der Religion zu verbinden. Diese Möglichkeit ermöglicht uns Einvernehmen mit dem Relativismus, ohne die Absolutheit der Religion zu verwerfen, wenngleich absolute Gesetze für die gemeinsame menschliche Zukunft eine große Gefahr darstellen. Deshalb widerspricht die Religiosität nicht der Absolutheit in dem Sinne, dass der Relativismus weder auf Säkularismus basieren oder notwendigerweise zur Absolutheit des Heiligen führen muss. Mit einer solchen Einstellung zur Religiosität kann der religiöse Mensch auch mit der Globalisierung gut zurechtkommen, wenngleich niemand weiß, was hinter den Kulissen vor sich geht und ob alle Beteiligten wirklich an einer humaneren Welt und universalen menschlichen Werten interessiert sind oder den Menschen nur als Mittel sehen. Meiner Meinung nach wird sich dies in allen Gesellschaften, gleich ob religiös oder säkular, zeigen. Die Menschen wollen nicht nur Beobachter sein, während einige wenige für sie entscheiden. Deshalb soll man den Globalisierungskritikern zustimmen, denn wenn die Masse der Menschen die Globalisierung nicht unterstützt, werden jene, die meinen, das Schicksal der Menschheit hänge allein von ihnen ab, ebenfalls keinen Erfolg haben. Der Globalisierungsprozess gründet auf Säkularismus, und folglich werden die Nationen ihrer eigenen Vorstellung von Religion folgen, d. h. wir werden keine internationale Melodie finden, in die alle Nationen einstimmen, insbesondere wenn man der Definition von Brian Wilson folgt, der Säkularisation nicht als Untergang von Religion und Religiosität beschreibt, sondern der Religion dabei einen sekundären und damit schwächeren Rang in der Gesellschaftsordnung zuschreibt. Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass der heutige Mensch nur eine Möglichkeit hat, und zwar eine Einstellung, die auf Realismus und nicht auf Idealismus beruht. Die alte Weltordnung ist schwach und vergänglich geworden, und die Welt ist auf der Suche nach einer neuen Ordnung. Damit dieses Ziel erreicht wird, muss man Dialog führen. Der Dialog der Kulturen ermöglicht es den Menschen, im Rahmen der Globalisierung eine neue Ordnung zu finden, die nicht die bitteren Ergebnisse der Intoleranz nach sich zieht. Aus diesem Grund hat die Forderung nach einem Dialog der Kulturen weltweite Unterstützung gefunden, während die Idee der Auseinandersetzung in der modernen Welt isoliert und in der Minderheit sein muss. Wenn man diese beiden Richtungen miteinander vergleicht, wird man leicht erkennen, welche für Fortschritt und Wissenschaft und welche für Unwissenheit und Dogmatismus steht. Dialog oder Krieg? Es scheint, dass im Rahmen der Globalisierung zunächst die Voraussetzung dafür geschaffen wurde, dass die Welt humaner und menschlicher wird und dass der Mensch zu einem "Weltbürger" wird. Dies setzt voraus, dass Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit Grundbedingungen eines internationalen Dialogs sind. Man sollte die fortschrittliche islamische Devise aufrufen, wonach man das, was man für sich selbst will auch für die anderen wollen soll und das, was für einen schädlich ist, auch für die anderen als schädlich ansehen soll. Problematisch ist, dass es noch immer Menschen gibt, die die Menschen in Bürger der ersten, zweiten und dritten Klasse einteilen. Im Rahmen des Dialogs können wir eine menschlichere Welt gestalten und zum Weltbürger gelangen. Der persische Dichter Saadi bringt dies mit folgenden Worten zum Ausdruck: Die Menschen sind wie die Glieder eines Körpers aus einem Schatz der Schöpfung, und wenn ein Glied Schmerzen verspürt, bleiben die anderen nicht ruhig. Wenn wir dies beherzigen, dann werden wir einen Menschen erleben, der wirklich menschlich ist, den das Leid eines jüdischen Kindes ebenso betroffen macht wie das Leid eines muslimischen Kindes. Wir müssen lernen, gleiches Leid zu verspüren, wenn wir die muslimischen Kinder in Afrika an Durst und Hunger leiden sehen und wenn Kinder in Los Angeles unter Hunger leiden. Die Welt ist klein geworden, und deshalb wird die Welt als ein Dorf bezeichnet. Ungerechtigkeit ist unakzeptabel - überall, und Frieden ist entweder für alle gut oder für niemanden. Gut ist jedoch, dass alle für Frieden stimmen. Quelle: © Institut für Human- und Islamwissenschaften e.V. Dialog - Zeitschrift für Interreligiöse und Interkulturelle Begegnung Jahrgang 2 • Heft 3 • 1. Halbjahr 2003