Das islamische Recht hier und heute (Teil 1)

  Der Klarheit halber, ist dieser Vortrag in folgende Abschnitte unterteilt:   1-Problemdarstellung 2- Lösungsversuche 3- Die Verfahrensweise authentischer Persönlichkeiten der islamischen Tradition bei ihrer Begegnung mit neuen Problemen 4- Exemplarische Musterbeispiele als Belege 5- Aufdeckung von Grundsätzen zur Lösung der heute anstehenden Fragen 6- Inwiefern können die veränderten Raum- und Zeitverhältnisse auf die islamische Gesetzgebung Einfluß nehmen ohne den islamischen Rahmen zu überschreiten?     1-Problemdarstellung   Die Frage, wie sich der Islam zu jeder Zeit und an jedem Ort zurechtfinden soll, ist so alt wie der Islam selbst, besteht also seit seiner Verkündung durch den Propheten Mohammad (s.a.). Von Anbeginn haben die zeit- und lokalbedingten Probleme Anlaß zu allgemeinen Fragen gegeben, worauf dann der Koran und die Sunna über Zeit und Raum hinweg mit allgemeinen Regeln und Prinzipien erwiderten. Dennoch zeigt die Verfahrensweise des Propheten und seiner Gefährten - vor allem die der rechtgeleiteten Kalifen- wie auch die der späteren Häupter (Imame) der verschiedenen madhib (Fiqhschulen), dass neue konkrete Fälle nicht selten zur Einschränkung oder vorübergehenden Aussetzung (aber kaum zur Aufhebung) der einen oder der anderen Regel bzw. Vorschrift oder sogar zu neuer Interpretation oder Uminterpretation der –islamisch gesehen- allgemeingültigen Prinzipien und Maximen geführt haben; und darum geht es u.a. auch hier und heute. Um so wichtiger und dringender ist die Frage in unserer Zeit und vor allem überall dort geworden, wo die Muslime in einer nicht-islamischen Umwelt leben.   Dabei hat es der Islam mit einer neuen Erscheinung zu tun, die, die Muslime sonst in ihrer Geschichte nicht kannten, nämlich mit Erscheinungen, die in Folge der neuen Konfrontation der islamischen Länder mit dem Westen -in seiner Vielfalt- entstanden sind. Zur Bewältigung der damit entstandenen gegenwärtigen Probleme muß der muslimische Fachgelehrte von den Verfahrensweisen der früheren islamischen Autoritäten lernend, neue Wege finden. Daß dies möglich ist, zeigt die Entwicklungsgeschichte des Islam selbst: Der Islam hat es geschafft, sich mit all denjenigen fremden Kulturen, mit denen er zu tun hatte, auseinander zusetzen, sie islamisch umzugestalten und schließlich zu einer fruchtbaren Lösung der daraus entstandenen Probleme zu kommen.   Prinzipiell und analog dazu müsste der Islam auch das Gleiche mit dem gegenwärtigen westlichen Geist unternehmen können: Das besondere Problem hierbei ist jedoch der Absolutheitsanspruch der westlichen Kultur und der Absolutheitsanspruch der westlichen Zivilisation mit allen ihren gesellschaftlichen Erscheinungen, wozu noch das zunehmende wirtschaftliche und politische Interesse des Westens an den islamischen Ländern und an dem Verhalten der Muslime dem Westen gegenüber hinzukommt. Zu diesem universalen Herrschaftsanspruch, auch bezüglich der islamischen Länder, haben die Muslime unterschiedlich reagiert, wodurch dann unterschiedliche Lösungsversuche ans Licht gekommen sind.     2-Lösungsversuche   Der Absolutheitsanspruch des westlichen Geistes, der westlichen Kultur und der westlichen Zivilisation und deren Egozentrismus sind nicht nur darauf aus, ihre Geltung offensiv durchzusetzen, sondern darüber hinaus bemüht, andere historische und noch bestehende Rivalen, also alle anderen Kulturen und Zivilisationen als veraltet, als überholt und gar als "Museums-Stücke" interessant, aber als gegenwartsbezogen wertlose Gestalten hinzustellen und sie von der Existenzfläche völlig wegzudrängen. Dieser Prozess ist zum Teil planmäßig durchgeführt worden, zum großen Teil liegt er aber in der Natur der Sache selber, d.h. in der Natur des mit Industrie und Technik ausgerüsteten gigantischen Westens, die von der Hegemonie konzipiert wurde, von dieser Hegemonie getragen wird und ohne sie nicht weiter existieren kann. Der widerstandsfähige Islam in allen seinen religiösen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Dimensionen hat sich jedoch von Beginn dieses Prozesses an dagegen gewehrt, sich, wie sonst viele andere Kulturen, assimilieren zu lassen und unterzugehen und hat bereits die kritischsten Kampfphasen überlebt.   -Um dieses Überleben und ein unversehrtes Weiterleben geht es im Grunde bei den Problemen, die der Islam heute und ganz besonders hier hat: Dieser mit Erfolg geführte Überlebens Prozess, zeichnete sich in unterschiedlichen bis hin zu widersprüchlichen Reaktionen ab, die, die Muslime innerhalb der letzten zweihundert Jahre der offensiven Haltung des Westens entgegengebracht haben:   Die Einen lehnten- und lehnen noch - den Westen und alles Westliche strikt ab, ohne ihre eigene Tradition kritisch zu bewerten und das islamische und Nichtislamische darin auseinanderzuhalten. Diesen gegenüber wollten -und wollen noch- einige andere den Islam und alles, was islamisch ist zugunsten des Westens und des Westlichen über Bord werfen. Die dritte Gruppe versuchte einen Kompromiß, ohne klare Kriterien dafür entwickelt zu haben. Die vierte Gruppe dachte -und denkt noch- Kraft eines im Westen vollzogenen Säkularismus zurechtzukommen. Die fünfte Gruppe suchte diese neue Begegnung mit dem offensiven Westen, als eine Chance für eine saubere Trennung zwischen dem wahrhaft Islamischen und zwischen den Zeit- und gesellschaftsbedingt hinzugekommenen Erscheinungen, mit dem Ziel, an der ersten Kategorie festzuhalten und sie auf Grund neu entwickelter Prinzipien zeitgemäß zu verstehen, aber gleichzeitig die zweite Kategorie zu überdenken und sie wissenschaftlich durchdacht und nicht willkürlich zu reformieren.   Der Erfolg der letzteren Haltung, die von sehr vielen frommen, verantwortungsbewußten, interislamisch anerkannten und angesehenen Gelehrten geteilt wird, liegt darin, daß diese Haltung an die der rechtgeleiteten Kalifen, die der sonstigen Gefährten Muhammads, die der Häupter der Fiqh-Schulen und die der späteren Gelehrten mit wissenschaftlich kritischer Einstellung erinnert. Diese Haltung soll hier als eine Möglichkeit, für die anstehenden Probleme eine Lösung zu finden, in Betracht gezogen werden.     3- Die Verfahrensweise authentischer Persönlichkeiten der islamischen Tradition bei ihrer Begegnung mit neuen Problemen.   Der strenggläubige hanbalitische Rechtsgelehrte und Schüler von Ibn Taimiya, nämlich der berühmte Ibn qaiyim al-Gauziya (691/1291-751/1350) steht, in seinem 1953 in Kairo erschienenen Werk at-Turuq al-hikmiya fi s-siyasa as-sar iya (sinngemäß: Die Entscheidungswege zur Anwendung der Maßnahmen der sari a) vor einer ähnlichen Frage, mit der wir heute des öfteren konfrontiert sind, d.h. die Frage: Wie sind die heute für uns neuentstandenen Probleme zu lösen? Sich auf al-Hulafa ar-rasidun berufend, die zur Lösung neuer Probleme - unter Berücksichtigung des Interesses der islamischen Gemeinschaft (maslaha al-Umma) und nicht aus reiner Willkür- neue Entscheidungen getroffen haben, welche weder im Koran noch in der Sunna vorhanden waren, bekräftigt Ibn qaiyim, daß es sich in solchen Fällen um äußerst brisante Situationen handelt, wobei nicht selten die islamischen Gelehrten dem Irrtum anheim gefallen sind. Sie sind in zwei Hauptgruppen auseinander zuhalten, die jeweils einen extremen Weg eingeschlagen haben:   "Die eine Gruppe hat sich insofern in eine extreme Zurückhaltung gestürzt, als sie die islamischen Rechtsmaßnahmen (hudud) unterlassen und die Rechte verwirkt hat. Sie haben damit, (d.h. mit ihrer Engstirnigkeit) den Unsittlichen zur Schlechtigkeit ermutigt, und die sar ia zu einem unausreichenden Gesetz gemacht, welches nicht im Stande ist, den Interessen der Menschen gerecht zu werden, so daß sie (sari a) des fremden Gesetzes als Ergänzung bedürfte. Sie haben sich damit die richtigen Wege zu dem wahren Gesetz und dessen Verwirklichung verbaut und sie verfehlt, obwohl sie (diese Leute) und sonst die anderen genau wissen, daß diese Wege wahr sind, und der Realität entsprechen; diese haben sie daher versäumt, weil sie dachten, daß die (neuen) Wege den Gesetzen und Regeln von gar‘ widersprechen. Beim ewigen Gott widersprechen diese Wege nicht dem, was der Gesandte (Mohammad) gebracht hat, sie (die neuen Wege) widerlegen vielmehr das, was diese Gruppe durch ihre eigene Rechtsfindung (Igtihad) der sari a des Propheten entnommen hat.   Das, was sie. aber dazu, (zu dieser Fehlhaltung brachte) ‚ist eine Art Unzulänglichkeit ihrer Kenntnisse bezüglich der sari a und bezüglich der Realität, und die Verwechselung der einen mit de anderen. "Die negative Bilanz, die nach Ibn qaiyim daraus entstanden ist, ist nachhaltig und erheblicht": Als dann die für die Staatsangelegenheiten Verantwortlichen diese (Versäumnisse) erfuhren und sahen, dass ihre Angelegenheit ohne Entscheidungen außer dem, was diese Gruppe der sari a entnommen hatte nicht aufrechtzuerhalten ist, so brachten sie (diese Machthaber) aus ihren politischen Situationen und Handhabungen heraus lang andauernde Schlechtigkeit und weitverbreitete Verdorbenheit hervor. Die Lage hat dann ein so bedrohliches Ausmaß angenommen, daß ihre Wiedergutmachung unmöglich wurde und es den Kennern der Wahrheit von Sar äußerst schwerfiel, die Menschen von diesen Übeltaten zu befreien und sie aus diesen - ihren tödlichen Gefahren zu retten. Soweit die eine extreme Gruppe, die von Ibn qaiyim mißbilligt wird. "Die andere Gruppe überschritt aber die Grenze in die entgegengesetzte Richtung: Sie hat (in ihrer Gleichgültigkeit sogar) solche Entscheidungen zugelassen, die der Anordnung Gottes und dessen Gesandten (völlig) widersprachen. Beide Gruppen trifft der Vorwurf, daß sie davon, was der Prophet von Gott brachte und Gott in seinem Buch an ihn herabsandte wenig Ahnung haben.   Denn Gott hat seine Gesandten geschickt und seine Bücher herabgesandt, damit die Menschen die Gerechtigkeit üben... sein Ziel ist, daß unter den Menschen Gerechtigkeit herrscht: Welchen Weg man auch dazu findet, so gehört er zur Religion und nicht gegen sie".(S.13/14). Von fundamentaler Wichtigkeit ist diese seine letzte Bemerkung. D.h.: Unabänderlich und von dem von der Zeit und dem Raum unabhängigem bleibenden Wert ist das, was der Koran und die Sunna unzweideutig als Ziel der jeweiligen Bestimmung - hier die Gerechtigkeit unter den Menschen- zugrundelegen, wobei die Wege zu dessen Verwirklichung unterschiedlich und dennoch dem Koran und der sunna adäquat sind. Um diese unterschiedlichen Wege, die zeit- und raumbedingt sind, bzw. sein können, geht es Ibn qaiyim, was auch für uns hier und heute gilt. Das, was Ibn qaiyim hier bringt, ist keine These und keine Theorie, die man widerlegen oder durch eine andere ersetzen kann. Es ist vielmehr eine Feststellung, die auf unbestreitbaren konkreten Fakten beruht. Die Unkenntnisse bezüglich dieser Fakten haben nach Ibn qaiyim die zwei extremen Gruppen hervorgebracht, welche in gleicher Weise dem Koran und der sunna und somit dem Islam schaden. Es gilt nun diese Fakten als Belege für diese seine Feststellung zu bringen.     4- Exemplarische Musterbeispiele als Belege   Nicht nur Ihn qaiyim als eine Autorität des 4./13. Jahrhunderts, sieht sich durch eine Reihe von allgemein anerkannten historischen Fakten bestätigt. Das Gleiche gilt für eine Anzahl von verantwortungs- Bewusstsein Autoritäten der islamischen Rechtsschulen unserer Zeit (19. u. 20.Jh.). Diese unterscheiden sich jedoch von Ibn qaiyim in der Ausgangsposition. Ibn qaiyim Ziel war die sari a in ihrem tiefgreifenden Sinngehalt und in ihrer weitreichenden Zielsetzung gegenüber der starren Haltung der Engstirnigen einerseits und gegenüber den in der Sache der sari a Gleichgültigen andererseits zu verteidigen und sie (sari a) in beiden Fällen vor einem Untergang zu bewahren. Die Autoritäten unserer Zeit, wie Saih Muhammad Abduh, Saih Mahmud Saltut und auch Saih Abdul-Wahhab Hallaf und Saih Muhammad Mustafa Salahi usw., hingegen gehen von der nur für unsere Zeit typischen Lage des Islam aus, nämlich von dessen Standort zwischen der Kultur-, Politik- und Wirtschaftshegemonie des Westens und zwischen der Unbekümmertheit, und Perspektivlosigkeit derjenigen Verantwortungsträger der islamischen Geistlichkeit, denen es am Einfühlungsvermögen der aktuellen Probleme und Kenntnisse bezüglich der Verhaltensweisen der Autoritäten der islamischen Tradition fehlt und sie zu einer nachteiligen starren Haltung veranlasst.   Bei den genannten Persönlichkeiten kommt es nicht auf die Benennung der Vertreter der jeweiligen Position an, d.h. es kommt nicht darauf an, daß man die Vertreter der ersten Position, nämlich die Befürworter der Übermacht des Westens als antiislamisch, Säkularistisch, modernistisch usw. zu benennen und die Verfechter der zweiten Position mit Verlegenheitsausdrücken wie konservativ, fundamentalistisch und dgl. mehr zu brandmarken. Es kommt vielmehr darauf an, zu zeigen und zu belegen, daß die beiden Positionen dem Islam einen nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen. Das soll gezeigt werden, um plausibel machen zu können, daß das Bewahren davor das dringende Hauptanliegen jedes verantwortungsbewußten Gelehrten wie der genannten Persönlichkeiten ist.   Aus diesem Pflichtbewußtsein heraus, haben diese nämlich in der Suche nach neuen Prinzipien ihre Aufmerksamkeit den entsprechenden, jedoch unbestreitbaren Fakten der islamischen Tradition gewidmet, wie es einst Ihn qaiyim getan hatte, ohne daß sie (die zeitgenössischen Gelehrten) bewusst an ihn (Ihn qaiyim) anknüpfen wollen: Schon der Prophet Mohammad selbst-so betont as-saih al Maragi in seinem Werk "al-Igtihad fil-Islam" (S.42) — hat die Anwendung der Diebstahlsstrafe zeitweilig, d.h. während des Krieges verhindert, obwohl der diesbezügliche Koranvers expressis verbis vorlag. -Warum? -Um zu vermeiden -so lautet die Begründung-, dass der Dieb, um seiner Strafe zu entkommen, sich der feindlichen Front anschließt. -Um einen Muslim -auch wenn er schwer gesündigt hat— nicht zu verlieren und um durch sein eventuelles Überlaufen zum Feind, die islamische Gemeinschaft nicht zu gefährden, also um einem größeren Schaden vorzubeugen (dieses Verfahren hat sich bereits zu einer islamischen Maxime -qa ida- erhoben) durfte, ja sogar mußte ein allgemeines Gesetz, das sonst ohne jede Einschränkung auch für den Kriegszustand galt, außer Kraft gesetzt werden.   Ebenfalls, so hebt Saih Salahi in seinem Werk Talil al-ahkam (Kairo 1949), 5. 62,hervor, hat der zweite Kalif Umar Ibn al-Hattab zeitweilig die Anwendung der Diebstahlstrafe ausgesetzt, nicht aber im Falle eines Kriegszustandes, sondern bei einer Hungersnot (maga a). Seinem Rechtsempfinden nach, war der Erhalt des Lebens wozu der Diebstahl begangen wurde, wichtiger als der Schutz des Eigentums, von dem, in jenem Falle, kein Leben abhing; das lag sowohl im Interesse der islamischen Gemeinschaft wie auch im Interesse derer Mitglieder, die in den Notfällen gemeinsam die Last zu tragen hatten.   In gleichen Weise haben, so Saih Salahi im Talil al-ahkam, S.36, die Gefährten des Propheten bezüglich der Anwendung der Strafen Zurückhaltung geübt, als ein muslimischer Heerführer das Verbot des Alkoholgenusses verletzt hatte: Das mögliche Überlaufen zum Feind und der dadurch mögliche Verrat der Umma wäre ihrem Rechtsempfinden nach für den Islam und die Muslime viel schädlicher gewesen als das Unterlassen einer sonst ausnahmslos anzuwenden- den Strafe; das Bewahren des Interessen der Umma und ihrer Mitglieder geht -so zeigen damit die Gefährten des Propheten -uneingeschränkt anderen Geboten und Verboten vor, welche im Falle eines Konflikts mit jenem (Interesse der Umma) – außer Kraft gesetzt oder sogar - unter Berücksichtigung strengen Kriterien - geändert werden können. Unter den Khulafa ar-raschidun hat der zweite Khalif in seiner Amtszeit die meisten neuen Entscheidungen getroffen, die sogar zum Teil als Änderung des koranischen Wortlautes galten. Man will seine Entscheidungen, an die Hunderte und sogar Tausende, gezählt und belegt wissen. Aber allein die mit einwandfreier Übereinstimmung überlieferten Fälle reichen vollkommen für die gegenwärtigen Rechtsgelehrten aus, sein mustergültiges Verfahren als Kriterium für den Umgang mit dem islamischen Gesetzen und für die Lösung der hier und heute anstehenden Probleme anzuwenden.   Hier sei einer dieser Fälle demonstriert: Im Koran, Sure 9 Vers 60,heißt es: "Die Almosen sind nur für die Armen und Bedürftigen, (für) diejenigen, die damit zu tun haben, (für) diejenigen, die gewonnen werden sollen, für (den Loskauf von) Sklaven, (für) die, die verschuldet sind, (für) den Weg Gottes, und (für) den, der unterwegs (Ibn as-sabil) ist. (Dies alles gilt)als Verpflichtung von Seiten Gottes. Gott weiß Bescheid und ist weise". Es geht bei unserem Beispiel um "diejenigen, die (für die Sache des Islam) gewonnen werden sollen‘, (al—muallafati qulubuhum): Un-zweideutig bedeutet die Verpflichtung unter anderem die Abgabe eines Teils der Almosen an diejenigen, hauptsächlich nichtmuslimischen Persönlichkeiten und Gruppen mit hohem Ansehen unter den arabischen Stämmen. Dadurch sollte ihre Sympathie für den Islam gewonnen bzw. ihre Antipathie dagegen unterbunden und in dem Sinne ihre eventuelle Hilfe und Unterstützung für den Islam gesichert werden. Der Prophet Muhammad richtete sich selbstverständlich danach. Auch der erste Khalif Abu Bakr setzte die Sunna des Propheten fort und lieferte ihnen ihren Anteil. Der zweite Khalif hat aber diese Sunna nicht mehr fortgesetzt (Saih Salahi, S. 37f). Dies tat er aber nicht aus Willkür oder aus Antipathie gegen diese Personen und Gruppen.   Er hat auch nicht die koranische Bestimmung für falsch und die Sunna des Propheten und das Verfahren von Abubakr für verfehlt gehalten wollen. Festhaltend an der Richtigkeit der allgemeinen Bestimmung des Korans und der danach gerichteten Verhaltensweise des Propheten und. der von Abubakr, stellte er eine Änderung, die sich in konkreten Fällen mit denen er konfrontiert war, fest: Er sah die genannte Verpflichtung, also die Abgaben an die mu‘allafat qulubuhum, darin begründet, daß dem Islam dadurch Schutz vor seinen Feinden garantiert wird; der Sinn und der Grund dieser Bestimmung lag für ihn im allerhöchsten Interesse des Islams und der Muslime. Zugleich ist er aber auch in Folge der Veränderung der Verhältnisse im Laufe der Zeit zu der Überzeugung gekommen, daß "inna l-laha qad a azza l-Islam wa agna anhum"/ Gott hat (bereits) den Islam verstärkt und ihn (den Islam) von ihnen un-abhängig bzw. deren Schutz für den Islam überflüssig gemacht".   Diese Entscheidung des Kalifen Umars (und auch ähnliche Entscheidungen von ihm), die eine Änderung bzw. eine Aufhebung einer klaren koranischen Vorschrift bedeutet, hat viele Diskussionen unter den Befürwortern und Gegnern seiner derartigen Entscheidungen hervorgerufen, weil im Allgemeinen die Unveränderbarkeit der koranischen Vorschriften zu den islamischen Glaubensgrundsätzen gehört. Die Angelegenheit ist auch an sich so ernst, daß man sich keineswegs mit den emotionsbeladenen Pro- und Contrahaltungen zufrieden geben kann. Es ist auch kein Sonderfall, der als Ausnahme gelten könnte. Es scheinen vielmehr — in Anbetracht der Autorität von Umar und anderen Gefährten des Propheten Muhammad (s.a.), denen der Schutz des Islams als höchste Pflicht am Herzen lag— in diesen und ähnlichen Fällen tiefere Gründe vorzuliegen, deren Ergründung an Prinzipien erinnert, durch die eine Reihe von den heute anstehenden Problemen zu lösen ist.