Islamisches Recht - Schari'a
Islamisches Recht - Schari'a
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Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen Islamisches Recht - Schari'a - Gottes ist die Herrschaft der Himmel und der Erde und dessen, was zwischen ihnen ist. Und Er hat Macht über alle Dinge. Qur'an 5, 120 Im Zuge der Berichterstattung der westlichen Medien über die islamische Bewegung und das Wiedererstarken des Islam in den islamischen Ländern ist der Begriff `Scharia` mittlerweile in Deutschland zu einem recht bekannten, wenngleich negativ belegten Begriff geworden. Kaum jemand jedoch kennt seine wirkliche Bedeutung. Was bedeutet Scharia? Die Bedeutung lässt sich aus der Gesamtheit des islamischen Weltbildes herleiten. Kern der islamischen Lehre ist `Tauhid` (Einheit), der reine und deutliche Monotheismus. Der Muslim bekennt, daß es nur einen einzigen Gott gibt, der alles Sein erschaffen hat und die Schöpfung erhält, leitet und entwickelt. In dieser Schöpfung hat Allah Gesetzmäßigkeiten erschaffen, die eine harmonische und geordnete Entwicklung der Schöpfung gewährleisten. Der Mensch nimmt in dieser Schöpfung eine besondere Stellung ein, die als `Statthalterschaft Gottes auf Erden` (Sure 2:31) bezeichnet wird, da der Mensch von Allah mit besonderen Fähigkeiten ausgezeichnet worden ist, die es ihm ermöglichen, Macht über andere Teile der Schöpfung auszuüben. Diese Fähigkeiten schließen jedoch eine hohe Verantwortung des Menschen mit ein, da ihr Missbrauch sowohl der Menschheit, als auch der übrigen Schöpfung immensen Schaden zufügen kann. Weg zur Gottergebenheit Der mit einem freien Willen ausgestattete Mensch braucht also eine Rechtleitung, die ihm den Weg des rechten Gebrauchs seiner Fähigkeiten weist, damit er diese zum Nutzen der Menschheit und der übrigen Schöpfung entfalten kann. Diesen Weg nennt der Islam `Scharia`, denn `Weg` ist die wörtliche Übersetzung dieses arabischen Wortes. Aufgezeigt wird uns dieser Weg durch den Qur'an, d.h. die Offenbarung Allahs, und durch die Vorbildliche Handlungsweise seines Propheten Muhammad (Friede sei mit Ihm), die auf arabisch `Sunna` (Brauch, normatives Verhalten) genannt wird. Prophet Muhammad stellt wie auch alle Gesandten vor ihm ein vortreffliches Beispiel für einen Gottergebenen Menschen dar. Diese beiden Quellen zeigen dem Menschen einen Weg auf, der es ihm ermöglicht, im Einklang mit der göttlichen Schöpfungsordnung zu leben und seine Fähigkeiten zu entwickeln, so das er ein wahrer Diener Allahs wird. Dieser Weg befindet sich daher auch in vollkommener Übereinstimmung mit der Vernunft, die im Islam als notwendiges Instrument zum Verständnis der `Scharia` betrachtet wird. Die `Scharia` ist also ein allumfassender Weg , der den Menschen zu Allah führt und ihm aufzeigt, wie Gottergebenheit praktisch verwirklicht werden kann. Welche Bereiche umfasst die `Schari'a? Diese Frage wird eigentlich schon durch die Antwort auf die Frage nach der Bedeutung der `Scharia` beantwortet. Da der Islam die Unterwerfung unter den einzigen Gott und `Scharia` der Weg ist , der den Menschen zu Allah führt, indem er ihm zeigt, wie man Gottergebenheit praktisch verwirklicht, ist es einleuchtend, daß die `Schari'a alle Bereiche des menschlichen Lebens umfasst. Diese Formulierung bedarf einer genaueren Erläuterung, da sonst der falsche Eindruck entstehen könnte, es handle sich um ein einschränkendes Zwangssystem, das den Menschen reglementieren und beschränken möchte. Die `Scharia` als ein umfassendes und vor allen Dingen auch unteilbares System ist zwar ein Regelungssystem, jedoch kein Zwangssystem. Es ist vielmehr ein durch die Vernunft bestätigtes, einleuchtendes System. Die `Scharia` ist deswegen umfassend und unteilbar, weil auch Allah allumfassend und unteilbar ist. Er ist allgegenwärtig und allmächtig und seine Herrschaft umfasst alle Dinge. Frieden und Gerechtigkeit können daher nur erreicht werden, wenn der Mensch bereit ist, sich in allen Bereichen des Lebens den Göttlichen Normen zu unterwerfen, deren Sinn eben nicht die Unterdrückung des Menschen, sondern die Wahrung seiner Würde und die Entwicklung seiner Fähigkeiten ist. Unteilbares Rechtssystem Die `Scharia` umfasst das gesamte menschliche Leben von der Frage des richtigen Gebets bis hin zur Frage der Wahl des Staatspräsidenten. Sie beschränkt sich dabei auf das Notwendige, denn die `Scharia` ist immer zweckgebunden: sie soll den Menschen zu seinem eigentlichen Herrn führen und ihm eine harmonischen Ordnung geben. Die `Scharia` ist vor allen Dingen eine Einheit, die nicht zerstückelt werden kann, ohne daß sie ihrer Identität beraubt wird. Die Normen der einzelnen Rechtsgebiete sind aufeinander abgestimmt und ergänzen einander, so daß man die `Scharia` nicht mit anderen Rechtssystemen kombinieren kann, ohne daß sie dabei Schaden erleidet und ihrer Funktionsfähigkeit beraubt wird. Vor allen Dingen aber ist die Scharia nicht statisch. Sie ist im Gegenteil dynamisch und verlangt stets die Berücksichtigung der aktuellen Umstände, der Zeit und des Ortes, an dem man sich befindet. Aus der `Scharia` praktische Rechtsnormen abzuleiten, ist daher Aufgabe der islamischen Rechtswissenschaft. Islamische Rechtswissenschaft Die `Scharia` als solche ist noch kein vollständiges Rechtssystem, weshalb es falsch ist, die `Schari'a mit dem islamischen Recht oder gar Strafrecht gleichzusetzen. Die `Scharia` ist vielmehr die Quelle der islamischen Rechtswissenschaft, aus der die islamischen Juristen faktische Rechtsnormen entwickeln. Zwar enthält auch die `Scharia` schon viele praktische Rechtsnormen, doch um eine solche Ableitung vollziehen zu können, braucht man Einsicht in die `Scharia` , weshalb das islamische Recht als `Fiqh` (d.h. Einsicht) bezeichnet wird. Das Ableiten der Rechtsnormen aus der `Scharia` wird `Idschtihad` (wörtlich: Anstrengung) genannt. Dieser `Idschtihad` ist die eigentliche Aufgabe des islamischen Juristen, denn durch ihn wird die Dynamik des islamischen Rechts, seine Fortentwicklung und Anpassung an die sich verändernden Gegebenheiten der Zeit gewährleistet. Eine solche Aufgabe kann jedoch nicht ohne Einsicht, also ohne tieferes Verständnis der `Schari'a bewältigt werden. Dynamische Rechtsentwicklung Der Prophet Muhammad (Friede sei mit Ihm) hat immer die Entscheidung getroffen, die den göttlichen Normen entsprach und somit auch von der menschlichen Vernunft nachvollziehbar gewesen ist. Der islamische Jurist hat insbesondere die Aufgabe, diesen Sinn der Entscheidungen des Propheten herauszufinden und diesen dann auf die Probleme seiner Zeit zu übertragen. Während also manche praktischen Entscheidungen in der `Scharia` zeitgebunden sind, muss es die Aufgabe der islamischen Juristen sein, durch `Idschtihad` die hinter diesen Entscheidungen stehenden zeitlosen Prinzipien der `Scharia` zu ergründen, um auf diese Weise die mannigfaltigen Probleme zu lösen, mit denen die Menschen konfrontiert werden. Zur Bewältigung dieser Aufgabe stehen dem islamischen Juristen als `Instrumente` u.a. die Vernunft (arab. `Aql`) und der Konsensus der kompetenten Gelehrten (arab. `idschma`) zur Verfügung. Durch diese Hilfsmittel ist es möglich, die zeitlichen Prinzipien der `Scharia` zu ermitteln und somit das islamische Recht dynamisch fortzuentwickeln. Geltungsbereich der `Scharia` Die `Scharia` ist grundsätzlich nur für den Muslim verbindlich, d.h. Angehörige anderer Religionen unterliegen auch in einem islamischen Staat nicht dem islamischen Recht. Nichtmuslimen wird in einem islamischen Staat aufgrund der `Scharia` Rechtsautonomie gewährt Sie können also ihre rechtlichen Angelegenheiten autonom regeln, so daß die `Schari'a nur im Falle von Streitigkeiten zwischen Muslimen und Nichtmuslimen herangezogen wird , wobei auch hier nicht allein die `Scharia` maßgebend ist, sondern auch die Rechtsvorstellung der Nichtmuslime berücksichtigt wird. Anwendung der `Scharia` Wie jedes andere Rechtssystem auch kann die `Scharia` missbraucht und zweckentfremdet werden. Es existiert kaum eine Phase in der Geschichte der islamischen Länder, in der von einer völligen Praktizierung der `Scharia` von diktatorischen Herrschern missbraucht, die diese verfälschten, zweckentfremdeten oder schlichtweg nicht beachteten. Auch heute noch versuchen viele Regime, die angeblich die `Scharia` praktizieren, unter dem Deckmantel der Religion die Menschen zu unterdrücken, während damals wie heute viele islamische Rechtsgelehrte ihr Eintreten für eine wirkliche Befolgung der `Scharia` mit Tod, Folter oder Verfolgung bezahlen müssen. Die `Scharia` kann nur dann ihr Zweck wirklich erfüllen, wenn einerseits die Menschen bereit sind, ihr zu folgen und andererseits genügend aufrichtige Rechtsgelehrte vorhanden sind, die bemüht sind, den objektiven Sinn der `Scharia` zu ermitteln und sich nicht den Machtinteressen der Herrschenden beugen. Die Muslime sind sich heute in immer stärkerem Maße bewusst, daß die Lösung ihrer Probleme von ihrer Bereitschaft abhängt, die `Scharia` zu verwirklichen. Schon aus diesem Grunde kann man keinem Volk die `Scharia` aufzwingen. `Scharia` kann nur dort praktiziert werden, wo die Menschen die innere Bereitschaft haben, ihr Leben auf dem Weg zu beschreiten, den die schöpferische Weisheit ihnen durch die `Scharia` geebnet hat: „Wahrlich, Gott ändert die Lage eines Volkes nicht, solange sie (die Menschen) nicht das ändern, was in ihnen ist." (Qur'an 13:12)
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