Die Verbindung des Menschen zu Gott

  Um unsere Beziehung zu Gott stärken und erweitern zu können, müssen wir Weisheit und Vertrauen gewinnen. Weisheit und Vertrautheit bringen die richtige Dynamik in unsere Annährung an Gott. Ein Tor, ein Ignorant also, wird sich genauso wenig Gott nähern können wie jemand, der kein Vertrauen in Gott hat und dem darum auch Gott nicht vertraut. Es ist ein Zusammenspiel von Weisheit, Erkenntnis und ihrer Dynamik. Es sind das Verhältnis des Erkennens, der Befürwortung und der Erfüllung der Notwendigkeiten derselben Erkenntnis, und die dabei entstehende Dynamik, die uns echten Glauben verleihen, echte Ergebenheit in Gott bedeutet und eine wirkliche Vollkommenheit des Menschen schaffen.   Wer Gott vertraut und Ihm sein Vertrauen schenkt, wird feststellen, dass Gott der einzige ist, der niemanden enttäuscht, der auf Ihn vertraut. Und wer Gott lieb gewinnt, wird beschämt feststellen, dass ihm Gott in seiner Liebe bereits zuvorkam.   Einmal an diesem Punkt der Reise angelangt, erlangt der Mensch einen Geisteszustand, den wir als das Gedenken und die Andacht bezeichnen. Diese Andacht ist die Fortführung der Nähe des Menschen zu Gott. Ein Zustand, der nicht durch äußere Zeremonien erlangt wird sondern durch ein inneres Verhältnis, ein sich Öffnen für die Andacht Gottes. Und auch hier wird der Reisende erfahren, dass, wenn er Gott andächtig ist, auch Er ihn bereits in Andacht hält. Diese Andacht und Andächtigkeit, die der erhabene Gott an einer Vielzahl von Versstellen Seines Buches erwähnt und gebietet, ist die Hinführung des Wanderers zu einer Stufe des Erkennens, über die der ehrenwerte Prophet sagte:   “Eine Stunde nachzudenken, ist besser als Tausend Jahre zu beten.” Oder: “Der Schlaf eines Wissenden ist besser als das Gebet eines Unwissenden.”   Darüber hinaus oder parallel dazu ist die Andacht, dieses erhabene Gottgedenken, ein Schutzwall, der es dem wissenden, vertrauenden, weisen, gläubigen und erkennenden Menschen, der sich auf dem Weg seiner Vervollkommnung befindet, nahezu strikt verwehrt, sich in der Allgegenwart Gottes zu vergehen. Zumindest ist die Andacht ein Antrieb zu Reue, Wehmut und Umkehr, und Gott kehrt Sich dem zu, der sich zu Ihm kehrt. Der Erhabene spricht im heiligen Koran:    

وَالَّذِينَ إِذَا فَعَلُوا فَاحِشَةً أَوْ ظَلَمُوا أَنْفُسَهُمْ ذَكَرُوا اللهَ فَاسْتَغْفَرُوا لِذُنُوبِهِمْ وَمَنْ يَغْفِرُ الذُّنُوبَ إِلاَّ اللهُ

  “Und diejenigen, die Gottes gedenken und für ihre Sünden um Vergebung bitten, so sie eine Untat begangen oder sich wider sich selbst versündigt haben. Und wer vergibt die Sünden außer Gott?” [Sure Al 'Imran (3), Vers 135]   Und in einer Überlieferung heißt es, dass Gott, Der Erhabene, spricht:   “Wüssten die Meiner Diener, die sich von Mir abwenden, wie groß Meine Sehnsucht nach ihnen ist, sie würden vor Sehnsucht sterben.”   Das Gottgedenken oder die Andacht ist keine körperliche Erscheinung, weshalb der Andächtige im Moment oder im Zustand der Andacht den erhabenen Gott nicht anzurufen oder Ihm zu gebärden braucht, denn Gott ist dem, der Ihm gedenkt, nicht fern. Vielmehr ist Er ihm näher und von früherem Gedenken als der Mensch. Der Andächtige ist deshalb nicht der sich Abwendende sondern der sich Zuwendende, der sich mit seiner Nähe zu Gott von dem Höllenfeuer fern hält, vor Zweigesichtigkeit und Heuchelei bewahrt, seine Beziehung mit Gott fest und fester macht, sich von Untaten fernhält, seinen Willen und seine Geduld für das Gute und gegen das Böse stärkt und seine Sehnsucht nach Gott, Dem Allerhöchsten, erweitert.   Nun möchten wir erörtern, warum das Fundament für eine Entwicklung bis hin zur selbstvergessenen Zuwendung zu Gott im Gedenken und in der Erwähnung des Göttlichen liegt.   Ebenso ist dies ein Zeichen für die Liebe Gottes, zu den Menschen. Unter Gedenken und Erwähnung des Göttlichen ist zu verstehen, sich stets Gottes bewusst zu sein, Seiner zu gedenken und ein aufrichtiges Gespräch mit Ihm zu führen. Dieses ist überall und zu jeder Zeit möglich und die Gläubigen zeichnen sich besonders durch diese Handlung aus.   Gott, Der Erhabene, sagt dazu im heiligen Koran:    

يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا اذْكُرُوا اللهَ ذِكْرًا كَثِيرًا، وَسَبِّحُوهُ بُكْرَةً وَأَصِيلاً

  “O die ihr glaubt! Gedenket Gottes in häufigem Gedenken; und lobpreiset Ihn morgens und abends!” [Sure al-Ahzab (33), Verse 41 & 42]   Abgesehen davon, dass das Gedenken und Erwähnen des Göttlichen eine Stärkung der beiderseitigen Beziehung zwischen dem Menschen und Gott bewirkt, stellt es auch eine Art Schutzschild dar, das den Menschen vom Sündigen abhält. Diejenigen, die Schlechtes oder Ungerechtes getan haben, gedenken Gottes und bitten Ihn um Vergebung für die begangenen Taten.   Es wurde über viele moralische, erzieherische und seelische Auswirkungen geschrieben, die das Gedenken und Erwähnen des Göttlichen mit sich bringen, von denen wir nun an dieser Stelle einige erwähnen möchten.   Imam Muhammad al-Baqir berichtete, dass in der ursprünglichen Thora geschrieben stehe:   “Der Prophet Moses fragte Gott, Den Erhabenen, ob Er ihm nahe sei, wenn er Ihn rufe, oder ob Er weit entfernt sei, sodass er Ihn rufen müsse. Gott offenbarte daraufhin Moses: ‚O Moses, Ich bin demjenigen nahe, der Meiner gedenkt und der Mich erwähnt.’ Moses sagte: ‚Wer ist in Deiner Obhut an dem Tag, da es keine Zuflucht außer bei Dir geben wird?’ Gott erwiderte: ‚Diejenigen, die stets Meiner gedachten, und diejenigen, deren Ich gedenke, diejenigen, zwischen denen und Mir eine gegenseitige Freundschaft und Liebe besteht. Wahrlich, dies sind jene, deren Gedenken mich davon abhält, es denjenigen, die noch auf der Erde verweilen, schwer zu machen.’”   In einer Überlieferung hat der Prophet Muhammad Folgendes gesagt:   “Jemanden, der stets das Gedenken Gottes bewahrt und Ihn erwähnt, wird Gott, Der Allerliebste, lieben und vor zwei Situationen bewahren: Er wird ihn vor dem Feuer der Hölle bewahren und vor Heuchelei beschützen.”   Als gute Auswirkungen, die das Gedenken und Erwähnen des Göttlichen mit sich bringen, sind zusammengefasst folgende zu nennen:  
  1.    Die Stärkung der Beziehung zwischen dem Menschen und Gott
  2.    Das Mittel zum Fernhalten vom Sündigen
  3.    Einerseits hilft es, das Bewusstsein der Menschen zu stärken, und anderseits bewirkt es eine Stärkung des Willens und der Geduld
  4.    Die Vermehrung der menschlichen Sehnsucht, zu Gott, Dem Allerhöchsten, zu beten und Ihm zu dienen
  Was muss man konkret tun, um seine Beziehung zu Gott zu stärken und zu festigen? Wenn man sich genügend Zeit nimmt, findet man die Antwort auf diese Frage im alltäglichen Leben. Wann begeben wir uns auf die Suche nach Wasser? Wann streben wir nach Wissen? Und wann beten wir?   Die Antwort auf all diese Fragen ist folgende: Wenn wir spüren, dass wir eines der genannten Dinge benötigen, werden wir naturgemäß danach suchen, streben oder es durchführen.   In all diesen Fällen lässt sich die Natur jeder dieser Beziehungen darauf zurückführen, dass  
  1.    der Mensch Kenntnis und Bewusstsein über sich und seine eigenen Bedürfnisse erfährt, denn diese erfahrenen Kenntnisse und dieses erfahrene Bewusstsein bringen Weisheit bzw. Erkenntnis;
  2.    man durch die Beschaffenheit der oben genannten Verhältnisse wie das des Wassers, des Schlafes und des Lernens zu Wissen und Bewusstsein findet, welche wiederum zu Vertrautheit führen.
  Wer diese beiden Eigenschaften – Weisheit und Vertrautheit – innehat, wird folglich auch die dritte, die Entschlossenheit, erfahren.   Eine Festigung der Beziehung zwischen dem Menschen und Gott liegt nicht außerhalb dieser Regel. Aus diesem Grunde soll man sich über Gott genügend Kenntnis und Bewusstsein aneignen, denn dann wird das menschliche Leben in die göttliche Richtung gelenkt, so wie ein Durstender sich natürlicherweise auf den Weg macht, Wasser zu suchen.   Insbesondere durch genügend Wissen über sein eigenes Ich und über Gott, seinen Schöpfer, nähert er sich dem wirklichen Empfinden, dass all sein Besitz, sogar sein eigenes Ich, nicht von Gott getrennt sind. Dieses Beispiel von dem Verhältnis des Menschen zu Gott ist wie das eines Tropfens im Vergleich zum Meer, da er – der Tropfen – um so mehr Würde und Kraft erhält, je näher er seinem Ursprung, dem Meer, kommt.   Da Gott die einzig wahre Vollkommenheit ist, gelangt man nur durch völlige Ergebenheit in Ihm zu wahrer menschlicher Vervollkommnung und ewiger Standhaftigkeit. Besonders zu erwähnen ist, dass der Mensch durch diese liebevolle Beziehung feststellen wird, dass Gott ihn liebt, noch bevor er Gott lieben kann. Sich selbst vergessend wendet er sich dann Gott zu. Deshalb muss, um die Beziehung zwischen dem Menschen und Gott zu stärken, das Verhältnis zwischen Weisheit, Erkenntnis und Entschlossenheit zur menschlichen Vervollkommnung gebracht werden.   Die logische Folge einer Verbindung dieser drei Eigenschaften ist: Je ausgeprägter der Bereich der menschlichen Weisheit und Kenntnis ist, desto größer wird die Liebe sein, und je höher die Flamme der Liebe im Geist des Menschen lodert, desto eher erreicht er sein Ziel.   Umgekehrt ausgedrückt: Je geringfügiger der Bereich der menschlichen Weisheit und Kenntnis ausgeprägt ist, desto weniger wird er von der Liebe erhalten. Je weniger er von der Liebe erhält, desto starrer wird er.